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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Herrgott, Ripinsky, ich bin Ermittlerin und habe
keine Ahnung, was ich tun soll.«
    Schweigen. Dann: .»McCone, kann es
sein, dass du die Sache einfach falsch angehst?«
    »Inwiefern?«
    »Na ja, so wie ich dich verstehe, hast
du dich bisher an das gehalten, was diese Leute dir zu sagen bereit sind, und
das ist nicht viel. Vielleicht solltest du dich an das halten, was sie dir
nicht zu sagen bereit sind.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du kennst diese Menschen schon dein
ganzes Leben. Du kennst ihre Persönlichkeit, ihre Art zu denken, die kleinsten
Nuancen ihres Verhaltens. Blende ihre Worte aus und horch auf die Leerstellen
dazwischen. Auf die Pausen, auf das Zögern. Halt sie dir vor Augen, so wie sie
in den Momenten waren, als sie dir nicht in die Augen gucken wollten.«
    »Interessanter Ansatz.«
    »Versuch’s. Horch auf das Schweigen. Es
kann dir alles verraten.«
     
    Ich schlief unruhig, geplagt von wirren
Träumen, von denen mich einer noch vor Mitternacht ganz emporschreckte. Es war
das eindringliche Bild eines Kreises: Golden und vollkommen schwang sich der
Bogen von mir zu Großtante Fenella, dann zu Mary McCone und von dort wieder zu
mir zurück. Ein Kreis, der uns drei verband und alle anderen ausschloss.

Horchübung…
     
     
    » Wer war Baby Girl Smith?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Kannst du nicht, oder willst du
nicht?«
    »... Beides.«
    »Verdammt, Ma, ich muss es wissenl «
    »Tut mir Leid, Sharon. Es gibt Dinge,
die...du nicht verstehst.«
     
    Das sind die Leerstellen: Mas Zögern
vor den Worten »Beides« und »du nicht verstehst«. Horch hin, stell dir Ma dabei
vor.
    Sie weicht ganz in ihren Sessel zurück,
entzieht sich meinen Fragen. Da ist ein Zucken um ihren Mund, und ihre Augen
sind halb geschlossen. Was ist das für eine Emotion, die sie zu verbergen
versucht? Warum hat sie die Finger ineinander verflochten?
    Was ist es, was sie nicht sagt?
     
    »Ich kann’s dir nicht sagen, weil es da
Dinge gibt, die Andy und ich nicht erfahren haben. Und ich will’s dir nicht
sagen, weil ich Angst davor habe, was das für Dinge sein könnten. Andy war
genauso wahrheitsbesessen wie du; er fand es schrecklich, dass wir nicht alles
wussten. Deshalb hat er dir das Dokument so hinterlassen, dass du es finden
musstest — damit du diese Wahrheit aufdeckst.«
     
    Ja, vielleicht.
     
    »Und das wars? Danach hast du dich
nicht mehr gewundert?«
    »Doch, klar. Vor allem, als wir dann
anfingen, selbst Kinder zu kriegen. Ich meine, Karen und ich, wir hatten unsere
drei, Charlene ihre sechs, Patsy ihre drei. Bei keinem kam je ein rezessives
Gen zum Vorschein. Außerdem warst du auch noch in anderen Dingen anders.«
    »Zum Beispiel?«
    »... Du bist fleißig. Zielstrebig.
Ehrgeizig ...«
     
    Wieder so eine Schweigepause, ehe John
die Punkte aufzuzählen begann, in denen ich anders war. Irgendwas, was er nicht
sagen wollte, aus Angst mich zu verletzen oder wieder so eine Szene zu
provozieren wie die kurz vorher? Möglich. Solche Szenen waren nichts Neues. Wir
beide hatten uns als Jugendliche viel gestritten.
     
    »Du bist ein verzogenes Gör, Shar!«
    »Bin ich nicht!«
    »Doch, bist du wohl. Du kannst dir
Sachen leisten, die sich keiner von uns leisten kann.«
    »Stimmt nicht!«
    »Stimmt wohl. Du bist Pas Liebling. Er
hat für keinen von uns einen besonderen Kosenamen, aber bei dir geht es immer ›Shari‹
hinten und ›Shari‹ vorn und ›Mein kleines Mädchen kriegt ja so gute Noten‹.«
    »Und? Hätte ich vielleicht auch von der
katholischen Schule fliegen sollen wie du und Joey?«
    » Verzogenes Gör! Warum wirst du
immer bevorzugt ?«
     
    Ist es die Erinnerung an diese
Bevorzugung, die da in Johns Schweigen schwingt? Möglich. Mir wurde immer eine
Sonderbehandlung zuteil.
    Und dann ist da dieser Ordner in Pas
Dokumentenkarton: meine ganzen Zeugnisse und Kopien von meinen
Abschlussdiplomen.
    Das mit der Sonderbehandlung verstehe
ich ja: schlechtes Gewissen wegen der ganzen Lügen. Aber warum hast du diese
Zeugnisse aufgehoben, Pa? Warum haben sie dir mehr bedeutet als die deiner leiblichen
Kinder?
    Oder hast du sie für jemand anderen
aufgehoben? Für meine leiblichen Eltern, falls sie mich je finden würden?
     
    »Welches Reservat hat Fenella besucht,
Jim?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Was hat sie da gemacht? Wen hat sie
getroffen?«
    »... Das hat sie nie gesagt. Sie
hatte manchmal so eine geheimniskrämerische Art, verstehst du.«
     
    Wieder dieses kurze Schweigen. Und
dieser Blick, der

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