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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gemacht. Berufsfischerei. Das hat ihm gefallen, bis er
sich dann den Rücken kaputtgemacht hat und aufhören musste. Und er hat für so
eine Firma gearbeitet, die Bodenanalysen für Farmer gemacht hat. Und in einem
Imbisslokal muss er wohl auch mal gearbeitet haben. Wie hätt er’s sonst lernen
sollen?«
    »Diese Firma, die die Bodenanalysen
gemacht hat — wissen Sie, wie die hieß?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Agribusiness? Klingelt da was?«
    »Könnt ich nicht behaupten. Ich versteh
nicht, wie Ihnen irgendwas von dem ganzen Zeug helfen soll, Jimmy zu finden.«
    »Keine Bange. Sie haben mir schon die
Richtung gewiesen.«
     
    Wieder im Bungalow, ließ ich mich mit
einem Glas Wein auf der Veranda nieder, den Blick auf die fernen Warner
Mountains gerichtet, und machte mich daran, die Fakten, die mich irritierten,
durchzugehen. Ich nahm sie mir nacheinander vor und begann, mir die Fragen zu
stellen, die ich schon viel früher anderen hätte stellen sollen.
    Schließlich ging ich hinein, holte das
Foto von Saskia, Fenella und Austin und studierte es.
    Ja, da war das Detail, das ich
übersehen hatte.
    Ich zog rasch einen dickeren Pullover
an, schnappte mir meine Fliegerjacke als zusätzlichen Schutz gegen die
hereinbrechende Nacht und fuhr los, um mich noch einmal in Cinder Cone
umzusehen.
     
     
     
     

19
Uhr 18
     
     
    Die halb verfallenen Häuser waren in
Schattendunkel gehüllt. Ich fuhr an dem Tankstellenladen vorbei und parkte im
Hof des Hauses unter den Kiefern. Es duckte sich unter ihre windgezausten Äste,
einsam und verlassen. Ich stieg aus dem Pick-up, kramte die Taschenlampe aus
meiner Umhängetasche und ging hinein.
    Sofort schlug mir dieselbe unheimliche
Atmosphäre entgegen wie gestern; sie hing in den Wänden, im Boden, in der Luft.
Ich blieb stehen, leuchtete um mich und versuchte, die Quelle auszumachen, aber
da war nichts, außer dem Außenskelett dessen, was einmal ein Heim gewesen war.
Auf dem Weg zum Schlafzimmer versuchte ich das Gefühl abzuschütteln. Aber es
ließ sich nicht abschütteln.
    Der Pappkoffer lag so unterm Bett, wie
ich ihn zurückgelassen hatte. Ich zog ihn hervor, klappte ihn auf, nahm den
Haarkamm heraus. Weder Elfenbein noch Plastik, wie ich ursprünglich gedacht
hatte, sondern Büffelknochen. Genau wie der Rahmen des Fotos, das mir Elwood
Farmer geschenkt hatte. Ich nahm es aus meiner Tasche und verglich den Kamm mit
dem, den Saskia auf dem Foto im Haar trug; beide waren identisch.
    Ich steckte Kamm und Foto in meine
Tasche und begann, das Haus Zoll für Zoll abzusuchen, in der Hoffnung,
irgendeinen Hinweis auf den einstigen Eigentümer zu finden. Fast alles, was es
einmal enthalten hatte, war verwüstet oder gestohlen, aber zwischen einer Hand
voll Quittungen, die sich hinter einer Küchenschublade verklemmt hatten, fand
ich eine vom Juli 1956, ausgestellt von einem Eisenwarenladen in Alturas auf
einen gewissen Ray Hunter.
    Hatte Austin den Lieblingsonkel, zu dem
er und Saskia geflüchtet waren, nicht an irgendeinem Punkt Ray genannt? Sicher,
Hunter war ein häufiger Nachname, aber da ich Saskias Kamm — und vermutlich
auch ihren Koffer — hier gefunden hatte, musste dies das Haus sein, in dem sie
untergeschlüpft waren. Warum hatte mir Austin nicht gesagt, dass er die Gegend
von damals kannte? Und was war aus Ray Hunter geworden?
    Vielleicht würde es j a Mr. Easley von
der Wilderness Lodge wissen.
    Ich ging rasch wieder zum Pick-up
hinaus und wollte zurückfahren, doch als ich an dem Vulkankegel gegenüber der
Tankstelle vorbeikam, fiel mir etwas ein, das ich am Vortag dort gesehen hatte.
Ich setzte zurück, fuhr den Pick-up dicht an den Kegel heran, stieg aus und
leuchtete herum. Der Taschenlampenstrahl erhellte die überwucherte Müllkippe am
Fuß des Kegels, und ich erkannte die Schnauze eines Transporters, die aus dem
Gestrüpp ragte.
    Ich ging hin und schob das Gewucher
beseite; die Efeuranken, Zwergbäumchen und Beifußstängel waren verdorrt, tot
oder am Absterben. Diverses Gerümpel war um den Transporter aufgetürmt, als
sollte es ihn tarnen: Bretter, die Überreste einer Matratze, ein Ölfass,
kaputte Möbelstücke. Nager hatten die Matratzenfüllung herausgefressen, das
Ölfass war durchgerostet und ausgelaufen — vermutlich der Grund für das
Pflanzensterben. Eine Giftmülldeponie mehr auf dieser Erde.
    Ich zerrte einen Teil des Gerümpels weg
und arbeitete mich zu dem versteckten Truck durch. Das Nummernschild war so gut
wie unleserlich, sah aber aus

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