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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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wie der Schildertyp, der in den fünfziger Jahren
in Kalifornien ausgegeben worden war. Ich hockte mich hin, tastete die
erhabenen Ziffern der Jahreszahl ab: 1958.
    Nachdem ich noch ein paar Bretter
weggezogen hatte, ging ich zur Fahrerseite. Die Tür ließ sich nicht öffnen,
also schlug ich das Fenster ein, entfernte das meiste Glas und beugte mich ins
Wageninnere. Auf der Lenksäule steckte ein Kraftfahrzeugschein in einer
Plastikhülle, wie man sie früher benutzt hatte. Als ich darauf leuchtete,
erkannte ich verblasste Buchstaben: raymond t. hunter. Warum hatte er nicht nur
sein Haus aufgegeben, sondern auch einen Transporter, der, dem Aussehen nach,
damals noch relativ neu gewesen sein musste?
    Natürlich. Er hatte gar nichts
aufgegeben.
    Ich manövrierte meinen Oberkörper durchs
Fenster zurück und richtete mich auf. Sah mich um. Mein Blick wanderte den
Vulkankegel hinauf, der haushoch über mir ins Dunkel ragte. Die Krateröffnung
war sicher nicht groß genug, um ein Auto darin verschwinden zu lassen, aber...
    Ich arbeitete mich aus dem Gesträuch
heraus und begann, den steilen Hang zu erklimmen, indem ich mich mit den Händen
abstützte. Im Licht des eben aufgegangenen Mondes glänzten Flecken von welligem
Obsidian in dem rauen Basalt. Ich bewegte mich langsam, zählte jeden Schritt,
zügelte mein Atemtempo. Versuchte, nicht daran zu denken, was ich finden könnte
oder was hier vor vierzig Jahren passiert sein mochte. Am Kraterrand
angekommen, verharrte ich einen Moment, sog die reine Nachtluff ein. Dann
richtete ich den Taschenlampenstrahl ins Kraterinnere.
    Ein bodenloser Strudel aus Dunkel.
Schwarze Wände, glasig an manchen Stellen, brüchig und zerfressen an anderen.
Moos, Flechten, kleine Pflanzen, die an feuchtkühlen Orten gediehen. Und weiter
unten ein Vorsprung, wo ein Teil der Kraterwand herausgebrochen war. Darauf sah
ich etwas Weißes schimmern. Fledermauskot?
    Ich legte mich auf den Bauch und
streckte den Arm mit der Taschenlampe so weit wie möglich in das Kraterloch
hinein. Starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Sims. Der verschwommene
Weißschimmer nahm Gestalt an, die Gestalt eines liegenden Mannes.
    Kein Mann, ein Skelett. Perfekt
erhalten, da es in seiner vulkanischen Gruft vor räuberischem Getier sicher
gewesen war.
    Ich zog mich zu hastig zurück, und
meine Hand schlug gegen einen Steinbrocken. Die Taschenlampe fiel mir aus den
Fingern. Ich sah ihren Strahl hin und her schwenken, als sie hüpfend und
klackernd in der Tiefe verschwand.
     
    Ich fuhr gerade den Teil der Lavafelder
entlang, wo die Steinformationen am dichtesten standen, als ich plötzlich
feststellte, dass der linke Hinterreifen platt war. Das Rad hatte sich schon
auf der ganzen Strecke nach Cinder Cone irgendwie eierig angefühlt, und jetzt
wusste ich, warum. Ich bremste und stieg aus, um nachzusehen. Ein Nagel steckte
in der Reifensohle, was ein langsames Entweichen der Luft zur Folge gehabt
hatte. Normalerweise hätte ich mir nichts dabei gedacht, einfach das Rad
gewechselt und zugesehen, dass ich weiterkam, aber nach der Entdeckung, die ich
eben gemacht hatte, und der Keilriemensache gestern, kam es mir verdächtig vor.
    Ich kauerte neben dem Rad und sah mich
um. Die bizarren Steinformationen türmten sich vor dem mondhellen Himmel; der
kalte Wind pfiff durch den Irrgarten. Meine Phantasie beschwor eine Horde
flinkfüßiger Modocs herauf, die über das stopplige Terrain huschten und dann
wie vom Erdboden verschluckt waren. Ich hörte leise Geräusche, als sie sich
untereinander verständigten, mit Worten und Gesten, die ich nicht verstand. Sie
waren...
    Hör auf zu phantasieren, McCone.
Wechsle das Rad.
    Das würde nicht leicht sein, in dieser
Dunkelheit und ohne Taschenlampe. Ich stützte mich auf einen Ellbogen und
musterte die Halterung, wo das Reserverad hätte sitzen sollen. Leer. Ich
kletterte auf die Ladefläche, sah, dass der Werkzeugkasten zu klein für ein
Reserverad war. Guckte trotzdem rein, nach einem dieser Pannenhilfe-Sprays, die
den Reifen notdürftig aufpumpen und das Loch abdichten. Nichts, nur Reserveöl,
Zündkerzen, diverse Ersatzteile. Pete Silvado war für jeden Notfall gewappnet,
nur nicht für diesen.
    Oder hatte jemand das Reserverad
geklaut? Derselbe Jemand, der auch den Keilriemen angeschnitten und den Nagel
in den Reifen getrieben hatte?
    Ich ließ mich von der Ladefläche
gleiten, sah mich wachsam um und lauschte. Nichts regte sich außer dem Wind.
Wie weit bis Sage Rock? Zehn

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