Gefährliche Stille
Meilen etwa — ein ganz schöner Fußmarsch, aber ich
hatte schon längere bewältigt. Das Mondlicht war hell genug, um mir den Weg zu
beleuchten. Ich nahm meine Fliegerjacke aus der Kabine und schlüpfte hinein,
kramte meine Brieftasche aus der Umhängetasche und steckte sie in eine der
Jackentaschen, ließ die Umhängetasche auf dem Sitz liegen. Dann schloss ich das
Handschuhfach auf und nahm Hys 45er heraus. Er hatte sie mir dagelassen, weil
er in San Francisco einen Linien-Auslandsflug nehmen sollte und sie nicht
mitnehmen konnte. Sie war schwer und unhandlich, aber ich manövrierte sie in
die tiefe Schlitztasche der Jacke. So ungern ich eine Waffe ohne entsprechende
Genehmigung mit mir führte — ihr Gewicht war beruhigend.
Der Weg war einmal asphaltiert gewesen,
aber jetzt bestand er hauptsächlich aus harter Erde, Bimsstein und
Schlackebrocken. Letztere konnte ich durch die Schuhsolen spüren, und ich hörte
sie knirschen. Es wurde kälter, da der Wind zulegte. Ich hielt mich am
Straßenrand, suchte das Dunkel auf eine lauernde Gestalt ab. Horchte nach
Schritten...
Ein pfeifendes Geräusch, dann ein
sengender Schmerz an meinem linken Ohr. Der Knall kam, als ich in den
Straßengraben hechtete und mich in das Vegetationsgewirr grub. Blut rann mir
über das Gesicht; die Kugel hatte mein Ohrläppchen gestreift.
Himmel, ein winziges Stück versetzt,
und sie hätte mich getötet, genau wie in Boise !
In der Ferne brüllte eine Männerstimme
etwas Unverständliches. Ich verkroch mich noch tiefer, in der Hoffnung, dass er
mich nicht in den Graben hatte hechten sehen. Der Mann brüllte nicht wieder,
und eine Weile hörte ich nur das Pfeifen des Windes in dem Gesteinslabyrinth.
Dann filterten sich andere Geräusche heraus, deren Quelle ich nicht orten
konnte: Rascheln, Knirschen. Näher jetzt.
Die Pistole nützte mir nichts. Es war
zu dunkel und der Schütze vermutlich außerhalb ihrer Treffweite. Ich musste
hier weg, und zwar schnell. Aber wie? Und wohin?
Die Lavafelder. Die Modocs haben die
drüben am Tule Lake genutzt, um zu überleben. Ich kann diese hier nutzen.
Ich arbeitete mich zentimeterweise die
Grabenböschung hinauf. Das Rankengewirr um mich herum raschelte, aber das hätte
auch der Wind sein können. Ich schob den Kopf über den Grabenrand und sah mich
um. Konnte niemanden entdecken, außer den bizarren Formen, die sich über die
öde Fläche verteilten.
Der Mann schrie wieder etwas. Wieder
konnte ich die Worte nicht verstehen.
Ich richtete mich auf, rannte los.
Wieder ein Pfeifen, dann das Krachen.
Zu weit diesmal. Ich rannte auf ein Steingebilde zu, das wie ein riesiger
buckliger Mann aussah, schlüpfte dahinter und presste mich keuchend an den
Stein. Der Boden glänzte schwarz und glatt; krakelige Risse liefen in alle
Richtungen. Der Mann war jetzt still. Er war dort draußen, belauerte mich. Ein
Riss zog sich im Zickzack zu einer riesigen Steinformation — bizarr geformte
Brocken, die sich in den Himmel türmten. Ich duckte mich auf alle viere, folgte
dem Riss. Betastete die Formation und fand eine bogenförmige Öffnung — der
Eingang zu einer Höhle. Ich schlüpfte hinein.
Kalte Basaltwände und jähe Windstille.
Ich lehnte mich neben der Öffnung an den Stein, hörte meinen keuchenden Atem
und fernes Wassertropfen. Zuerst war das Dunkel undurchdringlich, aber dann
erkannte ich Einzelheiten, die durch Deckenrisse dringendes Mondlicht erhellte:
schwarze klumpen- und tropfenförmige Gebilde an den Wänden, wo Lava im Fließen
erstarrt war; weiße spitzenartige Kalkschleier auf dem Boden, wo Wasser
herabgetropft und verdunstet war; eine Baumwurzel, die sich durstig von oben
herabreckte.
Wieder Gebrüll — ganz nah.
Weiter. Geh so tief wie möglich rein.
Der Höhlenboden stieg steil an. Eine
erodierte Gesteinssäule teilte den Raum wie eine Säule in einem antiken
Gebäude. Ich schlüpfte um sie herum, in absolutes Dunkel, bewegte mich mit
vorgestreckten Händen wie eine Blinde. Ich fühlte glattes Glas, rauen Stein,
insubstanzielle, abstoßende Dinge wie Schleim und Fledermausnester. Das
Geräusch von tropfendem Wasser kam näher, entfernte sich wieder. Die Decke
senkte sich immer weiter herab, bis ich auf allen vieren krabbelte. Dann hob
sie sich wieder, aber der Gang verengte sich, wurde zu einem engen Lavatunnel.
Ich zwängte mich durch seine Biegungen und Windungen.
Der Boden stieg wieder an, uneben und
rissig. Ich blieb mit dem Fuß in einem Spalt hängen, verrenkte mir den
Weitere Kostenlose Bücher