Gefaehrliche Versuchung
zu. »Das stimmt. Thrasher kennst du ja schon. Und das hier ist mein Butler Finney …« Der Mann hatte einen Stiernacken, das Aussehen eines ehemaligen Preisboxers und balancierte ein Manton -Gewehr auf der Schulter. »Mein Koch Maurice.« Der dünne kleine Mann hatte hervorspringende Augen, ein dünnes Schnurrbärtchen und zwei Kavalleriepistolen in seinen Gürtel gesteckt. »Und mein Stallbursche George.« George war der Hüne, der Kate hineingetragen hatte: groß, sanft, mit einem Mondgesicht, einem ausdruckslosen Lächeln und sonst nichts. Die Männer standen da, um ihre Duchess zu beschützen.
»Treue ist beim Personal lobenswert«, sagte Harry.
»Schön, dass Sie das so sehen«, erwiderte Finney, der Butler, und betrachtete finster den Riss in Kates Kleid. »Wenn wir irgendjemanden finden, der unserer Lady etwas antun will, werden wir uns ganz sicher um ihn kümmern. Keiner von uns hat Angst vor dem kleinen Verräter.«
Harrys erster Impuls war es zu widersprechen. Aber der Butler hatte recht.
»Wir können uns später darüber unterhalten«, sagte er. »Im Moment müssen wir uns allerdings um Billy, den Axtmann, kümmern. Ich vermute, Sie wissen nicht zufällig, wie er uns gefunden hat?«
Es war Finney, der ihm antwortete. »Es tut uns leid, Durchlaucht, wir glauben, Billy und seine Leute sind uns gefolgt.«
»Wie viele?«, wollte Harry wissen.
»Acht.« Finney zuckte mit den Schultern. »Vielleicht zehn. Alle bewaffnet.«
Harry nickte. »Wenn man die Schüsse bedenkt, ist mindestens einer von ihnen ein Grenadier.«
»Ein Jammer, dass ich den nicht erwischt habe«, hörten sie Mudge im Nebenraum murmeln. »Das bringt die 95er in Verruf.«
Harry trat vor Kates Bedienstete. »Sie meinten, dass sie Lady Kate umbringen wollen. Nicht entführen?«
Thrasher schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe es genau gehört. ›Was auch immer du tust …‹«, er ahmte einen starken Akzent nach, »›… achte darauf, dass sie tot ist. Um den Rest kümmere dich später.‹«
Die Löwen hatten schon früher Leute aus den eigenen Reihen ermorden lassen. Harry wusste das. Es waren mindestens acht bewaffnete Männer da draußen in der Dunkelheit, die Kate haben wollten. Es lag an Harry, das zu verhindern. Er brauchte einen Plan.
Verteidigungsstellung. Schussfeld. Vorsprung. Komm schon, Junge, denk nach.
Einen Moment lang rief er sich das Gebäude ins Gedächtnis, das er sich einen Tag lang genau angesehen hatte. Ursprünglich war es ein Zisterzienserkloster gewesen. Der Hauptteil des Hauses war in viereckiger Form um einen Innenhof gebaut worden. Die Küchen und Vorratsräume befanden sich im Westflügel, die Ruinen einer alten Kirche im Norden und die Unterkünfte im Osten. Der riesige Saal, das ehemalige Refektorium, nahm einen Großteil der Südseite ein.
Der Saal öffnete sich zum Eingangsbereich hin, ein hallender, düsterer Raum, geschmückt mit alten Wandteppichen. An den gegenüberliegenden Wänden reichten hohe Spitzbogenfenster bis ins zweite Stockwerk. Der Raum war glücklicherweise nicht zu groß, um ihn verteidigen zu können, auch wenn es viele Fenster gab. Die Steinwände waren dick, die Türen bestanden aus massivem Holz und würden einiges abfangen. Was noch besser war: Im oberen Stock des Raumes befand sich eine abgeschirmte Galerie mit Fenstern. Das bot bessere Schussmöglichkeiten gegen Eindringlinge.
Gott wusste, dass Harry jeden Vorteil nutzen musste, den er bekommen konnte. Er hatte vielleicht mehr Leute zur Verfügung, doch vier von ihnen waren kampfunerfahrene Hausangestellte.
Das Geräusch von Schritten auf der Haupttreppe riss ihn aus seinen Grübeleien. Schroeder kam um die Ecke in die Eingangshalle. Ihr folgten vier Männer, die die Arme voller Waffen hatten.
»Sie sind draußen in den Büschen, Major«, sagte Frank. Sein rotes Haar leuchtete seltsam in der Dunkelheit. »Wir haben sie von den Fenstern aus gesehen. Sie werden das Haus bald umstellt haben.«
Gewehre wurden verteilt, und Harry schob sich eine Pistole in den Gürtel.
»Sind das die einzigen Waffen?«
»Es gibt noch eine Küche voller Messer«, entgegnete Mudge mit einem lässigen Lächeln.
»Hol sie.«
Harry trat an die Tür zum großen Saal und bestimmte die Position. Der Raum führte über drei Stockwerke, hatte eine gewölbte gotische Decke und Reihen von Bogenfenstern. Die Sicht auf den Vorhof hinaus war so klar, dass Harry die Schatten erkennen konnte, die sich im Gebüsch bewegten.
»Bringt den Nachschub
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