Gefaehrliche Versuchung
schwören können, dass Funken von ihrer Haut aufstoben. Die Laterne, die sie in der Hand trug, war dagegen erloschen.
»Weißt du, wie kalt es da unten ist?«, fragte sie, als wollte sie einen unpünktlichen Liebhaber ausschimpfen. »Ich hätte an Schüttelfrost sterben können, bevor ihr euch an mich erinnert hättet. Richte Frank von mir aus, dass er niemals zu Weihnachten nach Eastcourt eingeladen wird. Genau wie der Rest von euch.«
Harry wollte lächeln, als ihm klar wurde, dass sie an ihm vorbeiging, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Sie lief einfach weiter und rieb mit der Hand wieder und wieder über ihr Kleid, als wollte sie etwas Übelriechendes abwischen.
»Du kannst jetzt aufhören«, sagte er. Sie schien ihn nicht zu hören.
Schroeder kam hinter Kate in den Saal und ging direkt zu Harry. »Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, sie jetzt in eine Kutsche zu setzen«, sagte sie leise.
»Warum?« Er sah zu Kate, die nicht langsamer geworden war.
Schroeder schüttelte den Kopf. »Irgendwie ist die Laterne ausgegangen. Als ich die Tür öffnete, sprach sie mit Menschen.«
»Mit wem?«
Ihr Blick verfinsterte sich. »Ich glaube … mit toten Soldaten.«
Harrys Magen zog sich zusammen. »Bleiben Sie bei ihr.«
»Ich habe es versucht. Sie will nichts von mir wissen.«
Also konnte er Kate nicht einfach so ignorieren. Verfluchter Mist.
»Mal sehen, was wir tun können.« Er reichte Schroeder die Gewehre, die er eingesammelt hatte, und ging Kate hinterher. »Geht es dir gut?«, fragte er und folgte ihr.
Sie drehte sich nicht einmal um. »Ich habe beschlossen, mein Stadthaus umzugestalten«, sagte sie. Ihre Stimme hallte in dem riesigen Raum wider, als sie an den Fenstern entlanglief und durch jedes einen flüchtigen Blick nach draußen warf. »Ich hatte genug Zeit, um mir das Dekor zu überlegen. Ägyptisch, findest du nicht auch? Ich glaube, der Wahn nach Alligatorfüßen hat sich viel zu schnell wieder gelegt. Immerhin sollten Möbel noch mehr tun, als einfach nur herumzustehen. Zum Beispiel, Katzen und kleine Kinder erschrecken. Sie haben es verdient. Da wir gerade davon sprechen – ich schaffe es nie, meine Familie dazu zu bewegen, mich zu besuchen. Wenn ich allerdings den einen oder anderen Sarkophag hätte, würden die Kinder ihre Eltern vielleicht drängen, Tante Kate zu besuchen, damit sie mit einer Mumie Verstecken spielen können.« Ohne stehen zu bleiben, schüttelte sie den Kopf. »Nein, das funktioniert wahrscheinlich nicht mehr. Ich glaube, meine jüngste Nichte ist schon alt genug, um im nächsten Jahr zu debütieren. Ich muss sagen, dass ich es überaus ärgerlich finde, Geschwister zu haben, die alt genug sind, um Kinder in meinem Alter zu haben. Kannst du dir ausmalen, wie unangenehm eine Vorstellung da werden kann? ›Hallo, das ist mein Neffe Percy, der mich bei meiner Taufe gehalten hat.‹ Absolut altmodisch.«
Er holte sie ein, bevor sie über Frank stolpern konnte. »Kate, hör auf!«, sagte er nachdrücklich und packte ihren Arm. »Du musst aufhören und stehen bleiben.«
Noch immer sah sie ihn nicht an. »Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, ich muss nach Hause. Ich muss nach Bea sehen. Ich muss Vorhänge kaufen. In Gold. Vielleicht in Purpurrot. Mit Streifen.«
Sie wollte sich losreißen. Harry nahm ihr die Laterne ab und stellte sie auf den Boden. Dann zog er seine Reitjacke aus und half ihr hinein. Sie senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, kein Braun. Darin sehe ich blass aus. Schwarz vielleicht. Oder Flaschengrün. In Flaschengrün sehe ich prächtig aus.«
»Wenn du nicht sofort aufhörst«, sagte er scharf, »werde ich dich küssen. Und wenn das nicht hilft, werde ich dir eine Ohrfeige verpassen.«
Er konnte dieses eigenartige keuchende Kratzen hören, wenn sie atmete.
»Kate, es tut mir leid. Ich musste dich in Sicherheit bringen. Ich wollte nicht, dass du in der Dunkelheit ausharren musst.«
Er spürte, wie ein Schaudern durch ihren Körper ging. Endlich blieb sie stehen und blickte ihn an, auch wenn er sich wünschte, er hätte das nicht mit ansehen müssen. Ihre Augen waren so trostlos wie der Tod. »Wirklich? Wo, glaubst du, hast du mich untergebracht? Im Wintergarten?«
»Mir blieb nichts anderes übrig. Wenn Billy, der Axtmann, für die Löwen arbeitet, ist das noch ein Beweis dafür, dass du etwas wissen musst.«
Sie wich zurück, um ihn zu schlagen, doch er packte im letzten Moment ihr Handgelenk. »Schlechte
Weitere Kostenlose Bücher