Gefaehrliche Versuchung
Wink zu verstehen, dass er ihre Unterstützung nicht brauchte, und ging zu einer versperrten Tür. Nachdem er eine Weile nach dem richtigen Schlüssel gesucht hatte, schloss er sie auf. Harry wappnete sich innerlich. Er war sich nicht sicher, was ihn erwarten würde.
Noch mehr Blumen. Noch mehr Spitzenvorhänge und ein sauberer, aufgeräumter Korridor. Auf dem Holzfußboden lagen Perserteppiche. Gemütliche Sessel standen herum, und die Pfleger bewegten sich auf leisen Sohlen. Der Ort sah aus wie ein verdammtes Hotel für Diplomaten.
Das Einzige, was den wahren Zweck verriet, war die Tatsache, dass Frauen in schlichten blauen Kleidern ziellos durch den breiten Flur wanderten und nicht einmal hochblickten, als die Tür aufging. Sie schienen nicht wahrzunehmen, dass die drei Männer vorbeigingen. Harry konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand Ian nicht beachtete.
»Ich habe mir immer gewünscht, dass Frauen ab und zu auch mal ruhiger sind«, murmelte der riesige Highlander und schüttelte den zotteligen Kopf. »Ich glaube, ich habe meine Meinung gerade geändert.«
Harry konnte ihm nur zustimmen. Die unnatürliche Stille zerrte an seinen angespannten Nerven. Dennoch fühlte er sich auf eine gewisse Weise erleichtert. Wie schlimm konnte es hier für Kate sein? Das Einzige, gegen das sie widersprechen könnte, wäre die Farbe der Teppiche. Sie hatten sie schließlich nicht in einen Weinkeller gesperrt.
»Ich weiß, dass ich nicht fragen muss, ob Sie sich gut um sie kümmern«, wandte er sich an den Arzt.
»Oh, wir kümmern uns sogar sehr gut, Sir … äh … Harry. Sie fühlt sich heute schon viel besser.«
Harry zwang den kleinen Mann, im Korridor stehen zu bleiben. »Besser?«
Whaley nickte und hielt den Schlüsselbund mit beiden Händen umklammert. »Oh ja. Sie war etwas … bekümmert, als sie gestern Nacht hier eingeliefert wurde. Das kommt nicht selten vor.« Lächelnd wies er mit einem Kopfnicken in die Runde. »Doch wie Sie selbst sehen, fühlen sich die Damen hier alle sehr wohl. Nachdem wir Lady Kate davon überzeugen konnten, dass ihre Kooperation ihren Aufenthalt hier sehr viel angenehmer machen würde, hat sie sich beruhigt.«
Harry starrte die Frauen an, die ihn nicht bemerkten – blasse Gespenster in Blau. Er musste ein Schaudern unterdrücken. Ganz sicher nicht.
Beim Geräusch der klimpernden Schlüssel drehte er sich um. Whaley war auf halbem Weg durch den Flur stehen geblieben und schloss eine Tür auf. »Das Schloss ist nur in den ersten beiden Tagen verriegelt. Das ist Standard. Danach kann sie sich unter die anderen Patienten mischen – solange sie keine Probleme macht.«
»Das hat sich erledigt«, sagte Harry. »Sie kommt mit nach Hause.«
Als Harry den ersten Blick in das Zimmer warf, fiel graues Nachmittagslicht durch die Spitzengardinen am Fenster. Sein Magen, der sich zusammengezogen hatte, löste sich ein bisschen. Auf dem Boden lag ein flauschiger Teppich. Das Zimmer war mit hübschen, wenn auch schmucklosen Möbeln eingerichtet, und eine hellgelbe Tagesdecke lag auf dem Bett. Kate war wach. Sie saß in einem Sessel am Fenster, war sorgfältig frisiert und zurechtgemacht und trug eines dieser allgegenwärtigen blauen Kleider.
»Ach, hier bist du«, sagte er und warf ihr ein Lächeln zu.
Sie blinzelte nicht einmal. Harry spürte, wie sich die ersten Ranken der Angst eiskalt um ihn schlangen. Er durchquerte das Zimmer und ging neben ihrem Sessel in die Hocke. »Kate?«
Er vergaß immer wieder, wie zart und klein sie war. Nur knapp über einen Meter fünfzig. Sie saß aufrecht in dem Sessel, ihr Rücken berührte die Lehne nicht, die Finger hatte sie im Schoß ineinander verschlungen, mit den Zehen berührte sie nur knapp den Boden. So starrte sie auf die Hände in ihrem Schoß. Es war die wohl unbequemste Haltung, die Harry sich vorstellen konnte. Und trotzdem regte sie sich nicht – wie ein Kind, das ermahnt worden war, aufrecht sitzen zu bleiben, bis die Eltern zurückkehrten.
Was Harry Angst machte, war die Tatsache, dass er sich nicht daran erinnern konnte, sie je so still und bewegungslos erlebt zu haben. Sie nahm seine Gegenwart anscheinend nicht einmal wahr. Es war, als hätte jemand sie geraubt und an ihrer Stelle eine Wachsfigur zurückgelassen. Er ergriff ihre Hände und stellte fest, dass sie schlaff und kalt waren.
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«, wollte er wissen und sah zu Whaley hoch.
Whaley wirkte beleidigt. »Nichts. Wir mussten sie natürlich
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