Gefaehrliche Versuchung
die Räumlichkeiten gezwängt. Es wirkte wie ein Kairoer Stadtviertel. Harry vermutete, dass in irgendeiner Ecke sogar ein Sarkophag stehen könnte.
Als er sich endlich bis zum Tagessalon durchgeschlagen hatte, wo der Duke und die Duchess frühstückten, hätte er seine Mission beinahe aufs Spiel gesetzt, indem er der Dame ins Gesicht lachte. Schon als er sie erblickte, empfand er Antipathie für die Duchess of Livingston. Sie war eine dürre, kühle blonde Frau mit einer Nase, die immer ein Stück nach oben zu zeigen schien, und Augen, die so blau wie ein russischer See waren. Chuffy Wilde, Ian Ferguson und den ehrwürdigen Reverend Lord Joshua Wilton an seiner Seite, verneigte Harry sich vor der Duchess und dem Duke, der wie eine magenkrankes Kaninchen aussah.
»Was haben Sie vor, Lidge?«, wollte Livingston wissen und sprang, das Messer und das Muffin in der Hand, auf. »Ich sagte, wir wären nicht zu Hause.«
»Ich habe Ihnen gesagt, dass ich kommen würde«, erwiderte Harry.
Neben ihm machte Chuffy einen Schritt nach vorn. »Wir wussten, dass Sie es sich nicht verzeihen würden, wenn Sie den rechtmäßigen Ehemann Ihrer Schwester von ihr fernhalten«, sagte er mit einem breiten Lächeln, als könnte er sich nicht vorstellen, dass der Duke nicht begeistert wäre, sie zu sehen.
Die Duchess erhob sich von ihrem Stuhl wie die wutentbrannte Medea und blickte Chuffy so abschätzig an, als hätte er gerade Schlamm auf ihre Teppiche gespritzt. »Und was geht Sie das an, Sir?«
»Dachte, Sie könnten einen untastbaren Zeugen brauchen«, entgegnete er.
»Unantastbar«, korrigierte Harry ihn instinktiv.
Chuffy strahlte. »Goldrichtig.«
Plötzlich wich der Duke einen Schritt zurück. Wenn die Blässe seiner Haut ein Hinweis war, so hatte er gerade Ferguson entdeckt. »Wer, zur Hölle, sind Sie ? «, rief er schrill.
Keine unangemessene Reaktion, wenn man bedachte, dass Ian Harry um gut einen Kopf überragte und in der vollständigen Aufmachung der Black Watch dastand: mit roter Jacke, einem schwarz-blau gemusterten Kilt und der schwarzen Bärenfellmütze unter dem Arm. Mit seinem wilden, viel zu langen rötlich braunen Haar bot er einen Anblick, der auch mutigeren Männern Angst eingeflößt hätte. Vor allem wenn er lächelte, wie er es gerade tat.
Nun ja, zumindest hatten sie ihm das Zweihandschwert ausreden können.
»Ach, lassen Sie sich von mir nicht einschüchtern, Jungchen«, sagte Ferguson gedehnt. »Ich bin nur hier, um sicherzustellen, dass wir die kleine Duchess mit nach Hause nehmen können.« Als er sah, wie die blonde Eiskönigin blass wurde, stieß er ein lautes Lachen aus. »Die andere kleine Duchess, wissen Sie? Die großartige Duchess, die mich zu ihrer Hochzeit eingeladen hat.«
»Sie werden mich mit ›Durchlaucht‹ ansprechen«, forderte Livingston.
Ian schüttelte allerdings bereits den Kopf. »Der einzige Mensch, dem ich diese Ehre erweise, ist Old Nosey, Wellington höchstpersönlich. Und zwar, weil er auf dem Schlachtfeld ein großartiger Mann ist. Und Sie?«
Chuffy tätschelte beschwichtigend Ians Arm, als würde er einen Schuljungen beruhigen wollen, und versuchte, Schlimmeres zu verhindern. »Ian Ferguson, Viscount Brent«, stellte er ihn vor. »Ein weiterer unantastbarer Zeuge. Dachte, Sie könnten mehr als einen brauchen, damit Sie sicher sein können, dass Lidge nicht lügt.« Chuffy zwinkerte. »Obwohl ich noch nie erlebt habe, dass er das tat …«
»Chuffy«, murmelte Harry.
Chuffy strahlte und schob die runde Brille seine Nase hinauf. »Gut. Ian, ich würde dir gern Edwin und Glynis Livingston, den Duke und die Duchess of Livingston vorstellen. Lady Kates Bruder.« Um Ferguson nicht die Chance zu geben, noch eine Beleidigung auszustoßen, sprach er weiter: »Unmittelbar, nachdem Gracechurch seine Frau zum zweiten Mal geehelicht hat, hat Lidge hier Lady Kate geheiratet. Da sowieso alle Freunde da waren.« Er griff in die Tasche seiner in Rotbraun und Gold gemusterten Weste und zog, als wäre es ein Zaubertrick, ein offiziell wirkendes Dokument hervor. »Bitte sehr. Wusste, dass Sie Beweise würden sehen wollen. Scheint Ihnen wichtig zu sein.«
Harry hätte beinahe über die Empörung auf den arroganten Gesichtern gelacht. Chuffy ließ sie jedoch gar nicht erst zu Wort kommen. »Haben sogar unseren Freund Joshua mitgebracht, der die Trauung vollzogen hat. Lord Joshua Wilton.« Er wies auf das dritte Mitglied ihrer Gruppe. »Der Sohn des Dukes of Greason. Aber das wissen
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