Gefaehrliche Versuchung
Sie selbstverständlich, nicht wahr?«
» Reverend Lord Joshua Wilton«, korrigierte der hochgewachsene Geistliche ihn, während er sich verneigte. »Es ist mir wie immer ein Vergnügen, Sie alle zu sehen.«
Sowohl das Gesicht des Dukes als auch das der Duchess nahmen einen ungesunden Rotton an. Es gab keinen Zweifel am Beruf oder der Aufrichtigkeit von Wilton. Nicht nur wegen seines Kollars oder des Kreuzes, das er um den Hals trug. Groß und feingliedrig, hatte Wilton die asketischen Züge eines Mönchs. Wenn Harry nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, wie Wilton angesichts der Vorstellung, dem verabscheuungswürdigen Duke und der Duchess of Livingston eins auszuwischen, aus voller Kehle gelacht hatte, so hätte er geglaubt, dass der Mann noch nie in seinem ganzen Leben auch nur gelächelt hatte.
Beim Anblick des Dokuments rümpfte die Duchess die Nase. »Woher sollen wir wissen, dass es …«
Wilton straffte verärgert die Schultern. Chuffy lachte laut. »Sapperlot, Ma’am. Selbst die Queen höchstpersönlich hat nicht den Mut, Wilton einen Lügner zu nennen. Und sie sagt es sogar über ihre eigenen Söhne. Hier« – er reichte ihnen das Papier – »sehen Sie selbst. Da steht mein Name. Und der Name von Kates Freundin Lady Bea. Reizende alte Dame, finden Sie nicht? Tätschelt den Leuten den Kopf wie bei einem Hündchen.«
Tatsächlich hatte Lady Bea sich zuerst geweigert, den Stift zu nehmen, als sie gebeten worden war, zu unterzeichnen. Es hatte die gemeinsamen Bemühungen von Harry, Grace Hilliard und Finney, dem Butler, bedurft, um sie dazu zu bringen, es sich doch noch anders zu überlegen.
»Wo ist Lady Kate?«, fragte Harry ungeduldig.
Livingston blickte auf. »Ich denke, ich sollte die Papiere erst durch meinen Sachwalter prüfen lassen.«
Wilton richtete sich zu seiner nicht unbeträchtlichen Größe auf und runzelte die Stirn. »Ich hoffe inständig, Durchlaucht, dass Sie es nicht für nötig befinden, mein Wort zu hinterfragen.«
Livingstons Miene verdüsterte sich. Seine Frau erstarrte. Harry hatte das seltsame Gefühl, dass sie sehr viel wütender war als ihr Mann.
»Unsere Schwester brauchte Hilfe, Reverend«, sagte die Duchess, die Hände über dem tristen rosafarbenen Kleid gefaltet. »Sicherlich verstehen Sie unsere … Sorge, wenn der Mann, der um ihre Freilassung bittet, dieselbe … Person ist, die den Duke angegriffen hat, als dieser seine Pflicht tun wollte.«
»Aber der Mann ist ihr Ehemann«, erinnerte Wilton sie ruhig. »Sie müssen einsehen, dass Sie mit seinen Rechten in Konflikt geraten.«
Rechte , dachte Harry mürrisch und wusste, was Kate dazu zu sagen gehabt hätte. »Also«, sagte er und versuchte mit aller Macht, nicht die Geduld zu verlieren, »wo ist sie?«
Kapitel 8
Es schien nicht der schlechteste Ort zu sein. Das Richmond Hills Asylum war eine mit Efeu bewachsene, palladianische Villa aus Kalkstein mit drei Reihen Fenstern und abfallenden Rasenflächen. Das Anwesen wirkte, als wäre es einst eine private Anstalt gewesen. Die öffentlichen Räumlichkeiten waren gepflegt und rochen nach starken Desinfektionsmitteln und Bodenwachs. Blumen schmückten die Tische, Spitzenvorhänge hingen vor den Fenstern, und die Bediensteten trugen saubere weiße Schürzen. Selbst der Verwalter, ein Dr. Whaley, sprach ein gepflegtes Englisch und trug einen Siegelring mit der Tudor-Rose darauf, die zu der Rose passte, die auf dem Schild vor dem Anwesen prangte. Unwillkürlich musste Harry an ein altes Adelsgeschlecht denken.
Der Arzt las sich das Papier durch, das Harry ihm gegeben hatte. »Ich denke nicht …«
»Genau. Denken Sie nicht«, schlug Harry vor. »Bringen Sie uns einfach zu ihr. Wie Sie dieser Heiratsurkunde entnehmen können, ist sie nun Lady Catherine Lidge. Was mich« – mit einem grimmigen Lächeln machte er einen Schritt auf Dr. Whaley zu, der unwillkürlich zurückwich – »sehr unglücklich mit dieser Situation macht.«
Er spürte eine Hand auf seinem Arm und blickte auf. Ian Ferguson lächelte den Doktor an. »Oh, er wird uns hineinlassen«, versprach der hünenhafte Schotte mit tödlich ruhiger Stimme.
Wilton und Chuffy warteten in der Kutsche. Harry war der Meinung, dass die Uniformen des 95. Schützenregiments auf der einen und der Black Watch auf der anderen Seite den Doktor am ehesten von ihren Absichten überzeugen würden.
Mit einem nervösen Blick von Harry zu Ian drehte Whaley sich um. Sein Schlüsselbund klimperte. Whaley gab den Wärtern per
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