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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wäre er körperlich krank. Er blickte sie prüfend an und fand nicht die richtigen Worte, um sie zu fragen, vielleicht wusste er auch nicht, ob es nicht unlauter war, von ihr etwas zu erwarten, was sie ihm nicht geben konnte. Vielleicht hatte er sogar Angst vor der Antwort. War sie aus Mitleid hier, aus Loyalität oder wegen etwas, das halb eine Lüge und durch und durch eine Kränkung war?
    Sie lächelte ihn jetzt ohne Vorbehalte an und spürte, dass Tränen in ihren Augen standen. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie sehr Sie leiden müssen.« Sie hörte ihre Worte, ohne dass sie vorher darüber nachgedacht hatte.
    »Oder wie Sie das in sich aufnehmen, was Sie gehört haben. Aber die Familie bestimmt nicht, wer Sie sind, gut oder schlecht. Sie können nicht beurteilen, warum Ihre Vorfahren taten, was sie taten. Wir waren nicht dabei und
    haben nicht die Leidenschaften gesehen und wissen nicht, für wen das Opfer gebracht wurde. Das, woran Sie glauben, wie Sie sich anderen gegenüber verhalten und wie Sie Ihre eigene Wahrheit definieren, das macht Sie aus. Niemand kann das ändern, außer Sie selbst. Und Sie sollten es nicht versuchen, weil Sie gut sind, so wie Sie sind.«
    Er senkte den Kopf, um die Flut der Gefühle in seinen
    Augen zu verbergen.
    »Tatsächlich?«, fragte er mit erstickter Stimme.
    »Ja«, antwortete sie mit Bestimmtheit. »Vielleicht waren Sie nicht immer klug in Bezug auf Elissa oder fair gegen- über ihrer Langeweile oder ihrem Mangel an Zielen. Aber Sie können ihre Schuld nicht geahnt haben, weil sie einer Tat entstammte, die jenseits Ihrer Vorstellungskraft lag.«
    Er schaute plötzlich auf. »Ich habe sie nicht umgebracht!«
    »Ich weiß«, antwortete sie, und er sah in ihrem Gesicht, dass sie es tatsächlich wusste. Sie lächelte leicht. »Ich wusste immer, dass Sie das Modell nicht hätten umbringen können, ganz egal, wie sehr Sie auch provoziert wurden, Elissa zu verletzen oder sie daran zu hindern, ihr zerstörerisches Werk fortzusetzen.«
    »Danke«, flüsterte er.
    Callandra beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Seine Haut war kühl. Sie brannte darauf, mehr zu tun, ihn auf tröstliche Art zu berühren und einen Teil seines Schmerzes und seiner Müdigkeit auf sich zu nehmen und sie für ihn zu tragen, aber sie konnte bereits die Schritte des Wärters hören und wusste, dass ihre Zeit abgelaufen war.
    Sie trat einen Schritt zurück, damit ihre Vertrautheit nicht gestört wurde. Sie würde nicht Auf Wiedersehen sagen, diese Worte würde sie nicht aussprechen. Sie sah Kristian nur einen Augenblick an, und als die Tür aufging,
    drehte sie sich zu dem Wärter um und dankte ihm für seine Gefälligkeit. Sie ging, ohne noch einmal zurück- zublicken oder etwas zu sagen. Ihre Kehle schmerzte zu sehr, und ihre Augen standen voller Tränen.
    Auch Hester und Monk verließen den Gerichtssaal und betraten die Halle.
    »Wo ist Callandra?«, fragte Monk und sah sich um, konnte sie aber nirgends entdecken. Er trat einen Schritt vor, als wollte er sie suchen, aber Hester legte ihm eine Hand auf den Arm. »Nicht«, sagte sie leise. »Sie findet uns schon, wenn sie uns braucht. Vielleicht zieht sie es vor, allein zu sein.«
    Er blieb stehen und drehte sich um, um sie anzusehen. Einen Augenblick lang schien er das nicht recht glauben zu wollen, aber dann sah er ihre Sicherheit und überlegte es sich anders.
    Um sie herum drängten sich Menschen, unschlüssig, ob sie etwas essen oder gar nach Hause gehen sollten. Würden die Geschworenen heute Abend zurückkommen? Sicher nicht! Es war zu spät, schon nach sechs Uhr.
    Hester sah Monk an. »Könnte es sein, dass sie heute Abend doch noch zurückkommen?«, fragte sie, unschlüs- sig, ob sie es bald erfahren oder lieber die ganze Nacht warten wollte. »Ist es besser, wenn …?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er sanft. »Das weiß niemand.«
    Sie schloss die Augen. »Nein, natürlich nicht. Es tut mir
    Leid.«
    Sie wollte sich eben den Weg durch die Menge zu einem freien Fleckchen ein paar Meter von der Tür weg bahnen und stand kurz vor dem Eingang, als Charles auf sie
    zukam. Das Haar hing ihm in die Stirn, und seine Wangen waren gerötet.
    »Hast du Imogen gesehen?«, wollte er wissen. »Ist sie bei euch?«
    »Nein«, antwortete Hester und versuchte, die Angst, die sie in ihm spürte, zu ignorieren. »Hat sie gesagt, sie wollte mich suchen?«
    »Nein … ich dachte …« Charles sah sich suchend nach
    Imogen um.
    »Vielleicht ist

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