Gefangen im Terror (German Edition)
geschafft hatte, dann hatte auch ich keine Chance.
Nun konnte ich keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Gleich nachdem man uns gefangen genommen hatte, hieß es in barschem Befehlston: „Alle Handys hierher legen. „Wer sein Handy behält wird erschossen!“ Die Jugendlichen erkannten nicht gleich den Ernst der Situation. Erst als ein Terrorist seine Pistole einem etwa zwölfjährigen Jungen an die Schläfe drückte und rief: „Leg es sofort da hin, oder du stirbst“, begriffen alle, dass wir gehorchen mussten.
Die Terroristen sammelten die Handys ein und spielten damit. Wenn eines klingelte, warfen sie es auf den Boden oder schalteten es aus.
Seit dem Überfall waren jetzt fast 20 Stunden vergangen und niemand wusste, was eigentlich los war. Wir lagen in einem etwa drei Meter breiten Gang: dreißig Frauen, vier Männer und zwölf Kinder zwischen sieben und zehn Jahren, auch ein Säugling war dabei. Die Angst war fast körperlich zu spüren. Aber wir verhielten uns ruhig.
Die wenigen Männer waren gestern bereits von den Terroristen weggeholt worden. Zuerst befahlen ihnen die Wachen die Fenster zum Hof zu verbarrikadieren. Mit ausgehängten Türen und Schränken aus den Schulzimmern und allem was sie finden konnten wurden die Fenster zugestellt. Auch große Bücher und Atlanten stapelten sie auf. Dadurch war von außen nicht zu erkennen, was in der Schule vor sich ging. Die Terroristen versteckten sich hinter den Barrikaden und lugten durch schmale Öffnungen, die frei geblieben waren, nach draußen.
Als die Männer mit der Arbeit fertig waren wurden sie abgeführt. Kurze Zeit später hörten wir dann einige Gewehrschüsse innerhalb des Gebäudes nicht weit von uns entfernt. Niemand wagte zu fragen. Einige der Frauen weinten still vor sich hin.
Jetzt waren nur noch Kinder und Frauen im Gang vor der Turnhalle. Wir hatten die überfüllte Halle gesehen. Es waren mindestens 800 Menschen darin. Vor allem Kinder.
Im Gang war es sehr eng und stickig. Nach einem trockenen und heißen August war es auch im September noch immer sehr warm und draußen hatte es mehr als 35 Grad Celsius. Der Gang vor der Turnhalle war nur etwa sieben Meter lang. Wir drückten uns an die Wände, da ständig die Bewacher zwischen uns hin und her liefen. Wenn sie über unsere Füße stolperten, brüllten sie uns an und schlugen zu.
Aus der Turnhalle war in kurzen Abständen immer wieder lautes Jammern und Weinen zu hören. Dann wurde etwas über den Boden geschleift. Wir hörten Schritte und Fluchen. Draußen krachten Gewehrsalven, die mich in Panik versetzten. Vielleicht sollte die Schule gestürmt werden und die Terroristen würden uns erschießen?
Was, wenn Chamil da draußen war und mich suchte? Ich zitterte am ganzen Körper. Ismael weinte wieder und versuchte aufzustehen. Ich hielt ihn mit aller Kraft fest. „Ich muss aufs Klo“, sagte er mit weinerlicher Stimme. „Setz dich bitte wieder hin. Du kannst einfach pinkeln“, sagte ich leise zu ihm. Er sah mich verständnislos an. Er hatte eine neue Hose an. Sie war zwar schon verschmutzt, aber er war wohlerzogen und wollte sie nicht ruinieren. Am Anfang hatten die Wachen einzelne Kinder und Mütter zur Toilette gehen lassen, aber jetzt hieß es immer „Nein!“ Wir saßen inzwischen fast ausnahmslos in unserem eigenen Urin. Durch die Hitze stank es auch erbärmlich.
Mit Schüssen im Hof der Schule hatte gestern alles angefangen. Die Eltern mit den neuen Schülern standen ganz vorne. In ihren frischen Kleidern sahen die Kinder so glücklich aus. Der Schulleiter hatte gerade begonnen, die Eltern und Schüler zu begrüßen, als es geschah.
Von allen Seiten rannten maskierte Männer auf uns zu. Mit vorgehaltenen Gewehren und Pistolen drängten sie uns in die Schule. Es fielen sofort Schüsse. Ich hatte Ismael an der Hand. Wir rannten in eines der Klassenzimmer. Dort wurden wir mit weiteren dreißig Menschen eingeschlossen. Entsetzen breitete sich aus. Ein unglaubliches Chaos entstand. Niemand wusste, wer die Geiselnehmer waren. Alle schrien und schauten aus den Fenstern auf den Hof, wo viele leblose Körper lagen, angeschossen, überrannt, tot, dazwischen vermummte Männer, die hin und her liefen und auf alles schossen, was sich bewegte. Laute Rufe, unverständliche Worte und Drohungen, ein fremder Dialekt.
Es dauerte nicht lange, dann wurde die Türe zu unserem Klassenzimmer wieder aufgerissen und man trieb uns zur Turnhalle. Die maskierten Terroristen schwenkten wild ihre Gewehre
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