Gefangene der Welten: Weltentrilogie Bd.1 (German Edition)
dass es ihr gelungen war, ihm zu entwischen, noch dazu an dem Tag, bevor sich die Prophezeiung erfüllen und sie seine Frau werden sollte, ließ diese leise Stimme der Vernunft jedoch rasch verstummen. Geübt schwang er sich auf Schara’ks Rücken und trieb ihn zu einem rasanten Galopp querfeldein an. Sie konnte nicht weit sein. Der Weg war beschwerlich zu Fuß und soweit er feststellen konnte, fehlte keines der Pferde im Stall. Einzelne Bauern hatten sich in aller Herrgottsfrühe aufgemacht, um ihre Waren auf dem Markt feilzubieten. Die Wahrscheinlichkeit schien ihm hoch, dass sich seine widerspenstige Braut auf einen dieser Karren geschlichen hatte und auf diese Weise unbemerkt aus den Mauern der Burg entwischt war, als er sich mit Richards Boten auseinandergesetzt hatte. Allerdings war es ihm rätselhaft, wie sie ihrem Zimmer zu entkommen vermochte. Unbändige Wut grollte in ihm und erneut stieß er ein wildes, finsteres Knurren aus. Zugleich grollte Donner am Horizont; Ein Blitz erleuchtete kurz den Wald und ein Unwetter braute sich über ihm zusammen.
Sich dichter über den Pferdehals beugend, trieb er Schara’k zu noch höherem Tempo an.
Schnaufend kam Sydney auf dem weichen Boden zum Liegen. Sie setzte sich auf und stöhnte vor Schmerz. Sie hatte sich das Knie an einem Stein aufgeschlagen und ihre Hüfte schmerzte dumpf. Wahrscheinlich bekam sie einen blauen Fleck. Bedauerlicherweise war sie gescheitert bei dem Versuch, sich möglichst geschickt und elegant fallen zu lassen. Dabei hatte ihr Plan erstaunlich gut funktioniert; das hatte sie selbst kaum erwartet. Wie ein Krieger, der aus einer Schlacht siegreich hervorgegangen ist, breitete sich ein Grinsen in ihrem Gesicht aus und ließ sich auch nicht vertreiben, als sie den Donner grollen hörte. Nachdem Damian sie erneut in das Zimmer geschickt hatte, hatte Sydney unermüdlich über ihre Flucht nachgedacht.
Die vermeintliche Hochzeit rückte mit jeder Stunde, die verging, näher heran, und Sydney musste etwas unternehmen, wenn sie diesen Mauern und dieser Aura roher Männlichkeit, die Damian umgab, entrinnen wollte. Sie hatte keinerlei Zeit zu verlieren.
Auf ihrem Weg zu dem Zimmer hatte sie gehört, wie einer der Bauern im Vorbeigehen darüber sprach, dass er noch heute hinunter ins Dorf fahren und sein Gemüse verkaufen wollte, bevor das Unwetter über sie hereinbrach.
Dies war die Gelegenheit, auf die sie gehofft hatte. Herrschte ein Unwetter, so würde Damian kaum in der Lage sein, die Verfolgung aufzunehmen. Ihre Spur würde verwischt, wenn es regnete, was eine Verfolgung nahezu aussichtslos erscheinen ließ. Zum anderen würde er wohl kaum sein Pferd in ein Unwetter hinausschicken.
Der Riegel ihrer Tür hatte sich kaum hinter ihr verschlossen, schon eilte sie an den Waschtisch und griff nach der kleinen Schachtel mit Haarnadeln. Als Maria am Morgen ihre Haare frisiert hatte, waren ihr zwei äußerst lange, schmale Nadeln in der Dose aufgefallen. Sie hoffte, diese Nadeln würden schmal und stabil genug sein, um durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen zu passen und den Riegel zu öffnen. Eine Weile stocherte sie blind herum. Sie gab schon fast die Hoffnung auf, als es plötzlich klapperte und die Tür sich öffnen ließ. Damit hatte sie die erste Hürde genommen, doch da waren noch immer der Weg nach draußen und auf den Karren des Bauern. Zu ihrem Glück war die Halle nahezu verlassen. Abgesehen von einer Küchenmagd und einer kleinen Gruppe Bauern, waren nur Damian und der Junge anwesend. Der Schweiß rann ihr unangenehm zwischen den Brüsten und am Rücken hinab. Damian saß mit dem Rücken zu ihr, während der Junge gierig seinen Haferbrei in sich hineinschaufelte. Die Magd wandte sich eben ab und lief in Richtung der Küche davon, sodass nur noch die Bauern blieben, um die sie sich sorgen musste. Doch selbst die schenkten ihrer Umgebung nicht sonderlich viel Beachtung. Zu tief waren sie in ihrer Diskussion vertieft, als dass sie Sydneys Anwesenheit bemerkt hätten. Angespannt stieß Sydney den Atem aus und wagte den Gang zur Tür am anderen Ende. Die Anspannung ließ ihre Nerven vibrieren und jeder ihrer Schritte, wenngleich sie bewusst leise auftrat und auf Zehenspitzen lief, schienen ihr viel zu laut. Ihr Herz pochte schmerzhaft in ihrer Brust und das Blut rauschte durch ihre Venen. Unbewusst hielt sie den Atem an und, als sie endlich die Tür erreichte und hinausschlüpfen konnte, hielt einen Moment inne, schloss die Augen und atmete
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