Gefangene der Welten: Weltentrilogie Bd.1 (German Edition)
sollte sie sich retten? Jagten Wölfe nicht im Rudel? Panik bemächtigte sich ihrer. Sie wusste nicht mehr zu sagen, wie Wölfe zu jagen pflegten, doch dieser eine Wolf schien ihr bereits schlimm genug, was sollte es sie da kümmern, ob er allein war oder nicht?
Als hätte das Tier ihre Gedanken erahnt, verharrte es nun mit bedrohlich gesenktem Kopf. Es fletschte die spitzen Zähne und ließ ein tiefes Knurren ertönen. Die feinen Härchen auf Sydneys Armen stellten sich auf und der Drang, loszurennen und die Flucht zu ergreifen, wurde beinahe übermächtig.
Es war erneut der Gedanke an ihren Vater, der sie davon abhielt. Als sie noch ein kleines Mädchen war, hatte er ihr erklärt, dass man einem fremden Hund niemals in die Augen starren solle, weil dies den Hund provozierte. Sydney hatte dies nie hinterfragt.
Starr vor Angst, wagte sie es nicht, den Blick zu lösen.
Das Fell des Wolfes war im Nacken bedrohlich aufgestellt und ließ das Tier noch größer erscheinen. Das tiefe Knurren fuhr Sydney durch Mark und Bein, als es plötzlich im Unterholz hinter ihr raschelte.
Sydney fuhr herum.
Zwei weitere Wölfe betraten den Weg und schlossen Sydney den Fluchtweg ab. Ihre Gedanken rasten durch ihren Kopf auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Situation.
Erneut grollte Donner; lauter und drohender. Der anschließende Blitz zuckte beinahe zugleich erschreckend hell über den Himmel.
Oh, lieber Gott,
flehte Sydney im Stillen,
bitte, hilf mir!
Die Wölfe kamen mit jedem Atemzug näher heran und Sydney hörte bereits den geifernden Atem, der sie begleitete. Wenige Schritte trennten die Tiere von ihr. Der Waldboden war bedeckt mit Laub und es gab nichts, was ihr als Waffe hätte dienlich sein können. „Verflucht!“, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen aus. Sie fragte sich, welche Geschwindigkeit solch ein Wolf wohl erreichen mochte? Vielleicht, wenn sie… Plötzlich zuckte ein neuerlicher Blitz über den Himmel und Sydney zuckte zusammen, als sie das ohrenbetäubende Krachen hörte, als der Blitz in einen mächtigen Baum unweit ihrer Position einschlug. Die Wölfe wandten ihre Köpfe und als der Geruch verbrannten Holzes in ihre empfindlichen Nasen stieg, warfen sie Sydney einen unschlüssigen Blick zu, schnauften leise und zogen sich schließlich jaulend zurück.
Sydney verfolgte ihren Rückzug.
Sie sah zu dem schwelenden Baum, von dem nun dichte Rauchwolken aufstiegen, und es erschien ihr wie ein Wunder, dass sie noch dastand und lebte. Die Beine gaben mit einem Mal unter ihr nach und sie sank zu Boden. Sie zitterte am ganzen Leib und der Schreck steckte ihr tief in den Gliedern. Mit fahrigen Bewegungen fuhr sie sich mit der Hand durchs Gesicht. Ob die Wölfe irgendwann zurückkamen, um sie zu holen? Ein Wimmern stieg in ihr hoch, als sie an das grauenerregende Knurren der Tiere zurückdachte. Ängstlich sah sie zu dem brennenden Baum.
Hätte der Blitz nicht eingeschlagen, wäre ich jetzt tot
, dachte sie mit neuerlichem Entsetzen. Ein Abbild Jacks erschien ihr vor Augen.
Jack.
Sie war nun seit fast einer Woche von ihm getrennt und sie wusste, wie seine Haare beschaffen waren und wie er sie anblickte. Doch als sie an den kurzen Moment totaler Intimität in der Hütte dachte und versuchte, sich des Kusses zwischen ihnen zu erinnern, wandelte sich ihre Erinnerung stets in etwas, was sie überwältigte und ihr ganz und gar den Atem raubte.
Eine Erinnerung, bei der sie die gebieterische Härte einer breiteren und muskulöseren Brust unter ihren Fingern zu spüren glaubte.
Eine Erinnerung, bei der die reine Verführung sie lockte und ihren Herzschlag ins Unermessliche beschleunigte. Noch dazu Augen, die sie mit solch brennender Intensität ansahen, dass sie seinen Blick beinahe körperlich spüren konnte.
Tränen liefen ihr übers Gesicht und vermischten sich mit den kühlen Tropfen des einsetzenden Regens. Sie schluchzte. Ob angesichts ihres Überlebens in dieser Situation oder ob angesichts ihrer gesamten misslichen Lage, vermochte sie jedoch nicht zu sagen.
Schara’k zügelnd, verfolgte Damian, wie der Blitz mit rasender Geschwindigkeit vom Himmel fuhr und einen der Bäume in Brand setzte. Der rasante Ritt hatte seinen Zorn ein wenig abgemildert, doch noch immer schwelte die Wut über Sydneys törichtes Verhalten in ihm. Angespannt trabte er weiter, tiefer in den Wald hinein. Zugleich hoffte er, dass Sydney nicht unter eben diesem Baum gestanden hatte, als der Blitz ihn traf.
Nackte Angst
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