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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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mit sich herumgetragen. Später hatte er sie in Blechschachteln mit seiner speziell präparierten Komposterde umgepflanzt und auch diese ehemaligen Zigarettenschachteln lange im Gürtel getragen, damit seine Körperwärme den Keimprozeß fördern konnte. Aber nun waren seine kostbaren Bohnenkeimlinge in eine kalte, kalte Welt ausgesetzt worden.
    »Im Moment haben sie etwa ein Drittel des Tageslichts«, fuhr Radford fort. »Aber es ist kein beständiges Licht, sondern in einstündige oder halbstündige Abschnitte aufgeteilt. Das könnte schlechte Auswirkungen auf die kleinen Pflanzen haben. Ich schlage vor, daß wir den Generator schichtweise in Betrieb halten, um ihnen für möglichst lange Zeit gleichbleibendes Licht geben zu können. Dann ist da noch die niedrige Temperatur. Soviel ich weiß, machen gelegentliche Temperaturschwankungen den Pflanzen nichts aus, denn im Frühling und im Herbst kann es nachts empfindlich kalt werden. Solange es keinen Frost gibt, halten sie das aus. Aber diese gleichbleibend niedrige Temperatur ist etwas anderes, die muß sich irgendwie auswirken. Und auch die Qualität der Beleuchtung läßt zu wünschen übrig.«
    Er schwieg, blickte von einem zum anderen und setzte mit einem Unterton von forciertem Optimismus hinzu: »Ich hoffe, daß die wachstumshemmenden Wirkungen der Kälte und der schlechten Beleuchtung durch die Qualität unseres Düngers ausgeglichen werden.«
    Im trüben Licht rings um den Tisch war es schwierig, in den Gesichtern zu lesen. Die der Männer waren zur Hälfte hinter struppigen Bärten verborgen, und Miß Murray hatte ihre verletzte Gesichtshälfte wieder mit Bandagen umwickelt, seit der Generator lief. Jenny Wellman schlürfte, tief über den Tisch gebeugt, kalte Tomatensuppe. Sie äußerte sich als erste.
    »Wie lange wird es dauern, bis die Luft stickig wird, Sir«, fragte sie leise, »wenn Ihr Garten nicht wachsen will?«
    »Schwer zu sagen«, meinte Radford achselzuckend. »Sie müssen sich klarmachen, daß die Luft achtern nicht wirklich verbraucht ist; im Gegenteil, sie ist ohne weiteres atembar. Daß wir sie nicht mögen, ist eine andere Sache und mag psychologische Gründe haben. Wenn die Luft einmal verbraucht und schlecht sein wird, werden wir das zuerst nicht wahrnehmen, denn es ist ein allmählicher Vorgang, der sich bei der Größe dieser Tanks lange hinziehen kann. Genauso allmählich werden sich die Symptome bemerkbar machen. Alles das macht es schwierig, eine genaue Antwort zu geben, aber ich würde sagen, daß wir bis Mitte Juni oder Anfang Juli Zeit haben.«
    »Danke, Sir«, sagte das Mädchen.
    Etwas in ihrem Ausdruck beunruhigte Wallis so, daß er hastig sagte: »Das setzt natürlich voraus, daß der Garten ein totaler Mißerfolg wird. Selbst wenn nur ein Teil der Pflanzen so weit gebracht werden kann, daß sie unseren Sauerstoff erneuern, könnte diese Frist verlängert, vielleicht sogar verdoppelt werden.«
    »Selbstverständlich«, sagte der Arzt munter. »Mitte Juni ist die am meisten pessimistische Schätzung.«
    Kurz danach legten sie sich schlafen. Es war ihnen längst zur Gewohnheit geworden, nach der Hauptmahlzeit zu schlafen, wenn der volle Magen, der Kaloriengehalt des Essens und die vorherige Übung am Generator ein gewisses Wohlbefinden erzeugten.
    Während der Arzt, Dickson und Wallis sich unter dem Berg alter Säcke vergruben, stellte Dickson die Frage, die auch Wallis hatte stellen wollen.
    »Doktor«, sagte er, »woher wollen wir wissen, wann Mitte Juni, Juli oder Weihnachten ist? Haben Sie irgendwo eine Uhr gefunden, oder einen Kalender?«
    Radford zögerte. »So etwas Ähnliches«, sagte er leise. »Ich bin Arzt, wie Sie wissen, und die Mädchen sind meine Patientinnen. Und da es hier keine Intimsphäre gibt, sind gewisse Feststellungen sowieso unvermeidbar. Sagen wir einfach, daß wir zwei ziemlich verläßliche biologische Uhren an Bord haben, die uns zwar nicht Stunden und Minuten, aber doch den Lauf der Monate anzeigen.«
     
    *
     
    Etwas mehr als ein Monat verging, und in dieser Zeit genas Dickson soweit, daß er für fähig erklärt wurde, die Pedale des Generators zu treten. Zweimal begann das Schiff wieder zu sinken, und einmal wurden sie von einem Dampfer überlaufen. Wäre es nicht, nach dem Maschinengeräusch zu urteilen, ein Minensucher oder ein Kriegsschiff mit geringem Tiefgang gewesen, hätte es die Navigationsbrücke des Wracks gerammt. Dicksons Stimmung besserte sich mit seinem Befinden, obwohl er die

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