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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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versetzt, als es zwei Monate lang in getauchtem Zustand und ohne jeden direkten Kontakt mit der Oberfläche gefahren war. Hätten sie davon gewußt, würden die Insassen der »Gulf Trader« wohl ein gewisses Maß an gerechtfertigter Selbstzufriedenheit empfunden haben. Aber sie wußten nichts davon; und während die Mannschaft jenes unerhörten Unterwasserfahrzeugs gefeiert wurde und man bereits davon sprach, getaucht die Erde zu umfahren und unter dem Nordpol durchzutauchen, entspannten sich die Leute an Bord der »Gulf Trader« von ihrem anstrengenden Erinnerungsspiel, indem sie über alles plauderten, was ihnen gerade in den Sinn kam.
    »Es war nett von Ihnen beiden«, sagte Radford mit einem Blick zu Wallis und Dickson, »daß Sie Ihre Familien so klug arrangiert haben. Jeder hat einen Jungen und ein Mädchen. Sehr rücksichtsvoll.«
    »Denken Sie sich nichts dabei«, sagte Wallis.
    »Es war uns ein Vergnügen«, sekundierte Dickson.
    »Wären Sie weniger umsichtig vorgegangen«, fuhr Radford fort, »hätte hier vielleicht eines Tages die Polygamie ihr häßliches Haupt erhoben, oder diese andere Sache, wo eine Frau mehrere Männer hat.«
    »Ein Schicksal schlimmer als der Tod«, murmelte Dickson.
    »Aber auch so«, fuhr Radford unbeirrt fort, »wird es Zeit, daß wir uns um unsere jeweilige medizinische Geschichte Gedanken machen. Jeder von uns ist vor seiner Übernahme in den Marinedienst gründlich untersucht worden, und wir wissen, daß wir einigermaßen gesunde Menschen sind. Aber mich interessieren hauptsächlich die Leiden unserer Vorfahren und von diesen wiederum besonders die erblichen, wie TB, Leukämie oder Bluterkrankheit. Die kommende Generation ist gesund, aber bei der folgenden muß man die Gefahren der Inzucht berücksichtigen.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht denke ich auch zu weit voraus.«
    Auf der anderen Seite des Tanks spielten die Kinder ihr eigenes Spiel, still und beinahe verstohlen. Wallis hörte genug vom gewisperten Dialog, um zu vermuten, daß die Erwachsenen binnen kurzem mit einer Aufführung von »Schneewittchen« unterhalten werden sollten, mit Geraldine Dickson in der Titelrolle, Eileen Wallis als der bösen Königin und Dave Wallis und Joe Dickson in den übrigen sieben Rollen. Sie schienen das Original weitgehend durch freie Improvisation ergänzt zu haben.
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Wallis, zum Arzt gewandt. »Keiner von uns weiß, wie lange wir noch hier sein werden. Es ist merkwürdig, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dieser Ort hier sei die normale, alltägliche Welt, und die wirkliche Welt an der Oberfläche sei etwas, das wir nur vom Hörensagen kennen, wie etwa die Handlung eines Buches, die wir beim Spiel ausgegraben haben…«
    »Da Sie im Zusammenhang mit dem Spiel gerade von Büchern sprechen«, sagte Radford. »Ich habe mir überlegt, daß es vielleicht gut wäre, wenn wir uns mehr spezialisierten. Statt alle zusammen an der Wiederentdeckung eines Buches oder eines Schauspiels zu arbeiten, könnte jeder von uns allein an einer Erinnerung arbeiten und dann auf Verlangen der anderen darüber berichten. Wir haben vieles gelesen oder getan, was den anderen nicht bekannt ist, wobei sie also auch nicht viel helfen können. Ich glaube, unsere Gedächtnisse sind inzwischen so weit trainiert, daß wir es schaffen müßten. Ich selber zum Beispiel habe in meiner Jugend die Hornblower-Trilogie fünfmal gelesen, so daß ich mit diesen Geschichten anfangen könnte.«
    »Das wäre schön«, sagte Wallis erfreut. »Ich habe das zweite Buch gelesen, aber nur einmal, und ich hätte die Trilogie gern vollständig gehört, Doktor, vorausgesetzt, Sie bringen den Stoff aus dem Gedächtnis zusammen.«
    Im Laufe der Zeit, als die Kinder älter wurden und Fragen zu stellen begannen, wurde das Spiel mehr und mehr zu einem Instrument der Wissensvermittlung. Sie hielten regelrechte Schulstunden ab, und daneben gab es zahllose Geschichten und Vorträge über technische, medizinische und andere Sachgebiete. Gemeinschaftliches Singen war eine beliebte Form der Unterhaltung, beliebter noch als das Anhören von Geschichten, obwohl die Lieder wenig Material für die anschließenden Diskussionen ergaben. Die Kinder lauschten den Beschreibungen der Sterne und der Navigation ebenso neugierig und andächtig wie Radfords Rezitationen aus Grays Anatomie und Dicksons Seeräubergeschichten, betitelt »Die Bukanier und Flibustier«, zugleich aber waren sie von alledem auch ein wenig

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