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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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Schlüssel, und zwanzig Meter weiter blinkte es. Als er sich auf den Sitz fallen ließ, berührte sein Bauch das Lenkrad. Ich dachte schon, das Auto würde unter ihm zusammenbrechen. Mit glasigen Augen stellte er die Lüftung an und seufzte tief auf.
    »Sie sollten vielleicht noch mal zurückgehen, oder?«
    »Wozu?«
    »Ich weiß nicht. Aber Sie wollten doch ihre Tochter sehen, sie hat gewonnen. Ich verstehe nicht so recht, was wir hier machen.«
    »Nichts. Wir machen nichts. Sie weiß nicht mal, wer ich bin.«
    Allmählich taute die Scheibe auf, der Parkplatz wurde sichtbar, still lag er unter der spärlichen Beleuchtung. Von der Sporthalle her hörte man gedämpftes Stimmengewirr, durchsetzt von Beifall und Geschrei.
    »Sie wissen, wie das ist. Ich bin ein alter Trottel, aber vorher war ich ein junger Trottel. Ich hab sie verlassen, sie und ihre Mutter. Ich war noch nicht so weit. Die Kleine war ein Jahr alt. Ich habe ihre Spur wiedergefunden. Sie können sich nicht vorstellen, wie das für mich war, als ich sie zum ersten Mal einen Treffer einstecken sah. Ich wäre am liebsten in den Ring gestiegen und hätte sie rausgeholt.«
    »Und Sie haben sich nie zu erkennen gegeben?«
    »Nein.«
    »Glauben Sie nicht, dass es an der Zeit wäre?«
    »Ich glaube nicht, nein.«
    Er drehte den Zündschlüssel, aber der Wagen blieb stehen. Die Vierte Suite erklang, während er seinen Gedanken nachhing. Plötzlich richtete er sich auf und öffnete die Tür. Der Motor lief weiter.
    »Was werden Sie ihr sagen?«
    »Ich weiß nicht. Verzeihung. Dass ich dumm war. Dass ich es bedaure. Dass ich einen Fehler gemacht habe. Dass sie mir gefehlt hat.«
    Er stieg aus, ich sah ihn zwischen den geparkten Autos davongehen. Ich stellte die Musik lauter und schloss die Augen, das Cello vibrierte tief in meinem Bauch, und der Bogen strich über meine Haut. Es fing an zu regnen, Graupel prasselte aufs Blech. Vom Dach eines Kangoo schrie eine verirrte Möwe. Ich schlief ein.
    Als die Tür aufging, schreckte ich hoch, das Herz schlug mir bis zum Hals. Combe setzte sich ans Steuer. Ohne ein Wort zu sagen, fuhr er los. Vom Parkplatz bis zur Autobahn machte er den Mund nicht auf, außer um sich drei Fluppen nacheinander anzustecken, die er im randvollen Aschenbecher ausdrückte. Mit einer jähen Geste machte er das Radio aus, und man hörte nur noch den Motor und das Schleifen der Scheibenwischer, das leise Zischen der Reifen auf dem nassen Asphalt.
    »Und?«
    »Und nichts«, sagte er gereizt. »Ich konnte nicht. Das bringt nichts. Das ist alles Quatsch.«
    Er schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad, wir scherten leicht aus, aber er fing sich gleich wieder.
    »Was soll sie überhaupt mit mir anfangen? Sie ist bisher sehr gut ohne mich ausgekommen, und ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte, Scheiße noch mal.«
    Er fuhr zu schnell und versuchte, sich zu beruhigen, indem er tief Luft holte.
    »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, warum ich Sie mit meinen Geschichten belästige. Sie haben schon genug an Ihren eigenen, verdammt.«
    »Schon gut«, antwortete ich. »Immerhin hab ich einen echten Boxkampf gesehen …«
    Wir näherten uns der Rance, der Rauhreif bedeckte die Straßen mit einem blassgrauen Laken, alles war ruhig, das Gewerbegebiet und der Parkplatz von Carrefour, auf dem drei Mofas herumkurvten, McDonald’s, wo ein paar Einzelgänger zu Abend aßen. Die meisten Häuser waren dunkel, obwohl es noch gar nicht so spät war, sie erschauerten unter den winterlichen Böen. Er blieb vor unserem Haus stehen. Alles war erleuchtet. Ich schlug ihm vor, auf ein Glas hereinzukommen, aber er lehnte ab. Durchs Fenster sah ich Justine, sie hütete die Kinder, die noch nicht im Bett zu sein schienen. Ich schaute auf die Uhr, es war bald elf, aber das machte nichts. Schließlich waren Ferien.
    »Wie geht’s der Kleinen?«
    »Es geht. Zurzeit wohnt sie bei einer Freundin.«
    »Ist sie nicht bei ihrer Mutter?«
    »Sie will nicht dorthin zurück. Sie versteht sich nicht besonders mit ihrem Stiefvater.«
    »Der berühmte Johnny.«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Nur so. Ein Arsch.«
    »Den Eindruck hab ich auch.«
    Ich setzte einen Fuß auf die Straße. Manon drückte oben an ihrem Fenster die Nase an die Scheibe, sie winkte mir zu und ich winkte zurück, der Regen fühlte sich an wie lauter feine Nadeln.
    »Anderen.«
    »Ja?«
    »Hören Sie, ich wollte Sie damit nicht belästigen, aber während wir das Mädchen suchten, musste ich ein paar Dinge überprüfen, die

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