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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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schwacher, zittriger Stimme, ich erkannte sie nicht wieder, das war nicht mehr Élise. Dann machte sie sich Sorgen um ihre Kinder und wollte keinesfalls, dass man sie störte, sie hatten so viel Wichtiges zu tun, wegen so einer Kleinigkeit brauchten sie doch nicht zu kommen.
    »Bitte, Paul, lesen Sie mir vor.«
    Mit unsicherer Hand nahm sie ein Buch vom Stapel auf dem Nachttisch und reichte es mir, ich las nie mehr als zehn Seiten, sie schlief beim Zuhören mit einem Lächeln auf den Lippen ein.
    »Wenn die mit ihrem Zinnober fertig sind, bringen Sie mich nach Hause, nicht wahr?«
    »Hören Sie, wir werden sehen, was die Ärzte sagen.«
    »Nein. Wir werden sehen, was ich sage.«
    Ich hatte den Medizinern nichts entlocken können, nicht mehr jedenfalls, als Élise selbst in Erfahrung gebracht hatte, seit sechs Tagen traktierte man sie jetzt mit Sonden und Schläuchen, sie war erschöpft und abgemagert und vermisste ihr Haus über der Bucht. Als ihre Tochter im Zimmer erschienen war, hatte sie mir einen finsteren Blick zugeworfen.
    »Haben Sie sie benachrichtigt, Paul? Ich hatte Sie doch gebeten, meine Kinder nicht wegen einer banalen Grippe zu stören.«
    »Aber Mama, warum sagst du das, es macht mir nichts aus. Du bist im Krankenhaus, ich besuche dich, das ist alles.«
    »Und wie geht’s dir, mein Liebling?«
    »Es geht, Mama. Mach dir keine Sorgen um mich.«
    »Du siehst erschöpft aus. Du solltest Urlaub nehmen.«
    »Ich weiß. Aber das wird nicht so bald möglich sein …«
    »Und die Kleinen, ich hab sie schon lang nicht mehr gesehen. Überlässt du sie mir im Sommer?«
    »Wir werden sehen, Mama … Wenn du bis dahin entlassen wirst, schicke ich sie natürlich zu dir. Aber, weißt du, in ihrem Alter langweilen sie sich schnell, du wirst sie die ganze Zeit am Hals haben.«
    »Denkst du … Sie werden am Strand Ball spielen, in der Garage warten die Surfbretter auf sie, ich gehe mit ihnen Crêpes essen, du wirst sehen, sie werden keine Zeit haben, sich zu langweilen …«
    Élise hatte die Augen zugemacht und sich vom Schlaf übermannen lassen, der erfüllt war von glücklichen, strahlenden Tagen, sommerlicher Sorglosigkeit und sonnenverbrannten halbnackten Kindern. Diesmal, hatte ich den Eindruck, war sie selbst gegangen, war selbst in den Schlaf geflohen, während sie bis dahin dagegen angekämpft und sich mit ihrer kümmerlichen Kraft dagegengestemmt hatte.
    Sie legte auf und zündete sich eine Zigarette an. Die Leute blickten sie strafend an, doch sie achtete nicht darauf, zwischen zwei Zügen kaute sie an ihren Nägeln, da sie schon auf ein Minimum reduziert waren, gab es nicht viel zu beißen.
    »Haben Sie mit dem Arzt sprechen können?«
    »Ja. Sie wissen ja, wie sie sind. Sie reden um den heißen Brei herum, man kapiert nichts. Aber wenn ich es recht verstanden habe, geht es ihr wohl nicht so toll.«
    »Wollen sie sie lang behalten?«
    »Das hat er nicht genau gesagt. Er hat von einem ›längeren Aufenthalt‹ gesprochen, mehr weiß ich auch nicht … Ich kann es nicht ertragen, sie so zu sehen. Es ist zu hart. Wenn Sie Mama vor ein paar Jahren gekannt hätten, ein richtiger Wirbelwind. Aber so sanft und freundlich, so zart. Ein sanfter, zarter Wirbelwind, wenn man das so sagen kann.«
    Ich verstand sehr gut, was sie meinte. Im Grunde sah ich sie auch so.
    »Haben Sie mit ihr über häusliche Pflege gesprochen? Gestern Abend hat Élise mich wieder gebeten, sie heimzubringen. Sie sagt, hier will sie weder leben noch sterben.«
    »Ich weiß. Aber der Doktor will im Moment nichts davon wissen. Er sagt, die Pflege ist zu umfangreich und man muss sie zur Beobachtung dabehalten.«
    Sie sagte das alles wie in Panik, vollkommen überfordert sah sie mich an, sie suchte Hilfe, einen Rettungsring, sie hatte nur mich und verfluchte ihre Geschwister, die so bequem weit weg waren.
    »Und selbst wenn immer jemand bei ihr wäre, müsste ich die ganze Zeit da sein.«
    »Vielleicht können Sie sich mit Ihren Geschwistern abwechseln?«
    »Ich erwische sie nicht mal am Telefon. Man könnte meinen, es tangiert sie nicht.«
    Den Tränen nahe, drückte sie ihre Kippe in die Pflanzenerde. Ihr Telefon begann zu vibrieren. Ich kehrte ins Zimmer zurück. Élise war wach, sie hatte sich im Bett leicht aufgerichtet und erwartete mich, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß.
    »Wo ist meine Tochter?«
    »Auf dem Flur. Sie telefoniert.«
    »Sie ist immer überlastet. Sie trägt viel Verantwortung, wissen Sie. Ich bin sehr stolz auf

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