Gegenwinde
begannen zu blinken und Rauchpatronen flogen. Die Bässe ließen den Boden erzittern, ich spürte sie bis in meine Brust. Ein Typ in weißem Hemd und schwarzer Hose erschien mit dem Mikro in der Hand und verkündete mit quäkender Stimme das Programm des Abends, er hatte gefärbtes Haar und eine zerhauene Fresse. Bei jedem Namen schrien die Leute, der Beifall prasselte wie Kiesel in den Wellen. Die beiden ersten Jungen kamen herein, die Stimmung heizte sich auf, die Halle war buchstäblich nicht mehr wiederzuerkennen. Die Burschen waren höchstens fünfzehn, und die Handschuhe hingen an ihren streichholzdünnen Armen wie Christbaumkugeln, die im Licht aufblitzten. Sie boxten mit großem Tempo, beide waren die reinsten Stehaufmännchen, unermüdlich. Die drei Runden vergingen wie im Flug, der Größere hielt den Kleineren dank seiner Reichweite in Schach, er nutzte sie mit verblüffender Gelassenheit. Auch mit noch so vielen Haken konnte der andere ihn nie wirklich treffen. Drei weitere Duos folgten, die Boxer waren älter und hatten mehr Muskeln, aber weniger Grazie. Die Schläge dröhnten dumpfer, sie nur zu hören, tat mir schon weh. In der letzten Runde ging einer zu Boden, und der Schiedsrichter zählte ihn aus, trotz Kopfschutz hatte sein Gegner ihm mit einer Geraden in den Kiefer die Zähne ausgeschlagen, wir hatten es alle gespürt.
Unter Kaskaden von Techno-Musik und Stroboskopblitzen zogen die Mädchen ein, Combe zeigte auf eine der beiden Boxerinnen, ihr stahlgrauer Satinmantel glänzte wie die Motorhaube eines Neuwagens.
»Das ist meine Tochter …«
Ihr Haar war zu zwei Zöpfen geflochten, die Augen schwarz umrandet. Sie zog ihren Mantel aus. Entlang ihrer Arme und Beine traten fein und wie mit dem Messer geschnitzt die Muskeln hervor.
»Sie ist schön, was?«
Ich stimmte zu. Combe hielt es nicht mehr auf seinem Sitz, seine Beine zuckten, seine Füße trommelten auf den Boden, er wusste nicht, was er mit seinen Händen tun sollte, er rieb sie, biss sich auf die Finger, fuhr sich durchs Haar. Der Kampf begann, und als seine Tochter den ersten Schlag einstecken musste, war es, als hätte er selbst einen Volltreffer abgekriegt. Er verzog das Gesicht und sackte in sich zusammen. Die fünf Runden liefen ohne eine Sekunde Pause ab. Es ging Schlag auf Schlag, Combes Tochter war so katzenhaft und präzise wie die andere kräftig und konfus, wenn sie bis zum Schluss durchhielt, wäre sie Punktsiegerin, die Dicke boxte meistens ins Leere, es kam darauf an, sich nicht in die Ecke drängen zu lassen. Die kleine Combe reizte sie, tänzelte um sie herum, verpasste ihr kleine Schläge ins Gesicht und landete, sobald die andere sich eine Blöße gab, blitzschnelle Bauchtreffer. Nach einer Weile spürte ich, dass die Dicke nicht mehr konnte, sie verzog das Gesicht, ihre Bewegungen wurden langsam, zwei Haken später ging sie in die Knie, und der Boxkampf war zu Ende. Combe war ganz außer Atem und strahlte vor Glück und Stolz. Der Ringrichter verkündete die Entscheidung der Punktrichter, dann bekam seine Tochter ihren Gürtel. Combe war überwältigt, ich fragte mich, ob er gleich in Tränen ausbrechen würde.
»Wollen Sie noch bleiben? Ich will hier raus.«
Jetzt sollte der Hauptkampf des Abends beginnen. Wir gingen in dem Augenblick, als die Boxer wieder hereinkamen, mit gesenktem Kopf schlugen sie Haken in die Luft. Das Licht in der Halle blendete uns, es war, als beträte man eine andere Welt, alles wirkte so trist und abgenutzt, der rohe Verputz und die grellen Neonröhren, die gekachelten Flure die Schulbänke die Pinnwände, alles sprang uns förmlich ins Gesicht. Aus den Umkleideräumen kamen die Jüngeren im Trainingsanzug und unterhielten sich lachend, die kleinen Brüder bestaunten mit leuchtenden Augen die Sieger. Weiter hinten im Flur hatte sich ein Menschenauflauf gebildet, ich erkannte Combes Tochter, noch im Trikot, sie hatte ihren Kopfschutz abgenommen und ihr Haar gelöst, schweißnass umrahmte es ihr kantiges, gebräuntes Gesicht, man konnte beim besten Willen keine Ähnlichkeit mit ihrem Vater feststellen. Er drehte den Kopf zu ihr um, ging aber zum Ausgang, plump und träge, ein faltiger Seelöwe, besiegt von der Schwerkraft.
»Gehen Sie nicht zu ihr?«
Er antwortete nicht, draußen sprang uns die Kälte an. Wir suchten eine Zeitlang seinen Wagen auf dem Parkplatz. Er starrte vor sich hin, vollkommen geistesabwesend und verschlossen. Man konnte nichts sehen. Combe drückte auf seinen
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