Geh Ich Auf Meine Hochzeit
Einkäufe in die Küche.
Die Hinterlassenschaften des Frühstücks ihrer siebzehnjährigen Tochter lagen immer noch auf dem Tisch: ein angebissenes Stück Toastbrot und ein mit Butter verschmiertes Messer lagen auf einem mit Krümeln bedeckten Teller, ein geöffnetes Glas Marmelade stand daneben.
Der erst halb geleerte Kaffeebecher würde sich zweifelsohne in Rosies Zimmer befinden, daneben noch etwa sechs andere solcher Tassen in verschiedenen Stadien des Schimmelbefalls.
»Das ist ein biologisches Experiment«, scherzte Rosie jedes Mal, wenn ihre Mutter sich über den pelzigen grünen Rand an den Tassen beschwerte, die sie von dem Nacht- und Schreibtisch holte, an dem Rosie ihre Hausarbeiten erledigte.
»Richtig, und das experimentelle Werkzeug wäschst du niemals aus«, beschwerte sich Evie, der es jedoch nichts ausmachte, ihrer hoffnungslos liederlichen Tochter hinterherzuräumen.
»Ich habe dich nicht darum gebeten«, verwies Rosie sie, die sich an die Beschwerden ihrer Mutter gewöhnt hatte.
»Dein Zimmer ist eine Gefährdung der Gesundheit«, widersprach Evie. »Deshalb räume ich auf.«
»Schimmel ist eine Art von Penicillin, wie kann er dann schlecht sein?«, würde Rosie zufrieden antworten. Gegen sie gewann man niemals. Ihr war einfach alles gleichgültig. Gleichgültigkeit beschrieb Rosie auch insgesamt sehr genau. Wer konnte wissen, wie sie sein würde, wenn sie die Schule abgeschlossen hätte und offiziell auf die große böse Welt losgelassen würde? Allein schon bei dem Gedanken schauderte es Evie.
Rosie sah jetzt bereits wie Anfang zwanzig aus: groß, schlank und auffällig, besaß sie ein ovales Gesicht, das ohne viel Mühe einen coolen, gelangweilten Ausdruck aufsetzen konnte. Mit ihren schwarzen Jeans und dem dreiviertellangen Ledermantel, den sie niemals abzulegen schien, ihren langen dunklen Haaren, die mit den tiefschwarzen Augen ihres Vaters harmonierten, schien sie doppelt so alt zu sein wie ihre Mitschülerinnen.
Sie war nur drei Jahre jünger als Evie damals, als sie das Baby bekam, und trotzdem war sie ihr etwa um zehn Jahre voraus. Teenagerjahre waren wie Hundejahre, dachte Evie. Für jedes normale Lebensjahr eines Erwachsenen schritten sie sieben Jahre voran.
Wenn Rosie die Aufnahme in dieselbe Schule für grafisches Design wie ihre so sehr bewunderte Tante Cara schaffen würde, hätte Evie keinerlei Kontrolle mehr über sie. Und das war ein erschreckender Gedanke. Dieser Zeitpunkt lag in nicht mehr allzu ferner Zukunft: Rosie musste nur noch sechs Monate zur Schule gehen. Sechs Monate, dann war es so weit.
Ihre geliebte Tochter so schnell erwachsen werden zu sehen, hatte Evie in ein Dilemma gestürzt: sollte sie Rosie erzählen, dass ihre Schwangerschaft der Grund für ihre Heirat mit Tony gewesen war? Oder würde die bisherige Version dadurch ruiniert werden, da Rosie ihren Vater wie einen Halbgott verehrte und es sie sehr treffen würde zu erfahren, dass die Romanze, die man dem neugierigen Kind geschildert hatte, gar keinem Märchen entsprach? Evie wusste nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Sie bedauerte lediglich, dass sie die Abwesenheit eines Vaters für Rosie dadurch hatte wettmachen wollen, dass sie ihn in eine Art Held verwandelt hatte, auf den ein kleines Mädchen stolz sein konnte.
Wieder einmal traf es zu, dass Lügen einen immer einholen.
Seufzend räumte Evie die Einkäufe weg. Obwohl sie in Eile war, fand sie durchaus noch die Zeit, alles in Ordnung zu bringen. Dosen und Gläser einfach irgendwie in die Schränke zu stopfen, gehörte nicht zu ihren Gewohnheiten. Die alte Kiefernholzküche in ihrem kleinen Häuschen hätte ein Makler sicherlich als »kompakt« beschrieben, doch ihr reichte es. Die sorgfältige Nutzung vorhandenen Raums wurde durch ausziehbare Fächer und Regale ermöglicht. Außerdem hatte sie eine Schiene für Topfdeckel in einer der Klapptüren angebracht, damit kein Zentimeter Platz vergeudet wurde.
Nachdem sie alles verstaut hatte, bereitete sich Evie ein Käsesandwich und eine Tasse Zitronentee zu und nahm beides mit nach oben. Sie duschte nur kurz, damit die Feuchtigkeit ihre Frisur nicht zusammenfallen ließ, dann rieb sie sich mit Körperlotion ein und widmete sich ihrem Make-up.
Es traf sich gut, dass Simon ihr natürlicher Stil gefiel, dachte Evie, als sie etwas ockerfarbenen Lidschatten auftrug und ihre Wimpern braun tuschte.
Rosie, die Make-up wie eine Art Kriegsbemalung handhabte, wollte ihre Mutter ständig dazu
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