Geheimcode Makaze
der Brandung schwimmen. Zwei junge Bullen blökten einander an und buhlten um die Aufmerksamkeit eines nahen Weibchens, das nicht das geringste Interesse für eines der beiden Männchen zeigte. Etliche Jungtiere hatten sich an die Bäuche ihrer Mütter gekuschelt und schliefen, ohne den Lärm wahrzunehmen.
Sarah holte einen kleinen Block aus ihrer Jackentasche und notierte die Eigenheiten der einzelnen Tiere, versuchte ihr Alter, ihr Geschlecht und ihren Gesundheitszustand einzuschätzen. Sie betrachtete die Seelöwen so genau wie möglich, achtete auf Anzeichen von Muskelkrämpfen, Augennässen, Schleimfluss oder ungewöhnliches Schniefen. Nach fast einer Stunde steckte sie den Notizblock wieder in die Tasche und hoffte, dass sie das Gekrakel, das sie mit ihren klammen Fingern zu Papier gebracht hatte, später noch lesen konnte.
Dann zog sich Sarah langsam von der Kolonie zurück und überquerte wieder den Bachlauf. Sie stieß auf die Fußabdrücke, die sie beim Herweg im kurzen Gras hinterlassen hatte, und folgte ihnen mühelos über einen sanft ansteigenden Hügel hinweg landeinwärts. Die kühle Seeluft tat ihrer Lunge gut, und die karge Schönheit der Insel hatte etwas Erfrischendes und Belebendes an sich. Die schlanke Figur und die zarten Züge der dreißigjährigen Frau mit den flachsblonden Haaren konnten einen leicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die Arbeit in der freien Natur genoss. Sarah war im ländlichen Wyoming aufgewachsen, wo sie den ganzen Sommer über mit ihren beiden übermütigen Brüdern zu Fuß oder hoch zu Ross durch die Teton Mountains gezogen war. Aus Liebe zur Natur und Tierwelt hatte sie schließlich an der Colorado State University Veterinärmedizin studiert. Nach einer Reihe von Forschungsaufträgen an der Ostküste war sie ihrem Lieblingsprofessor an die Centers for Disease Control gefolgt, die Bundesseuchenbekämpfungszentrale, nachdem man ihr versprochen hatte, dass sie ihre Tage nicht im Labor zubringen müsste. Als Epidemiologin in Diensten der CDC konnte sie bei der Feldforschung einerseits ihrer Leidenschaft für das Leben in freier Natur frönen und zugleich ansteckende Tierkrankheiten aufspüren, die auch für die Menschen gefährlich werden könnten.
Der Einsatz auf den Aleuten war genau das Abenteuer, nach dem sie sich gesehnt hatte, auch wenn der Anlass für eine Tierliebhaberin wie sie eher bedrückend war. Entlang der Westküste der Halbinsel Alaska war eine ganze Reihe toter Seelöwen gefunden worden, die unter mysteriösen Umständen gestorben waren, obwohl allem Anschein nach keinerlei Umweltkatastrophe oder eine andere Sünde wider die Natur vorlag. Sarah und ihre beiden Begleiter waren von Seattle aus losgeschickt worden, um Ausmaß und Verbreitung des Seelöwensterbens festzustellen. Das Team hatte auf Attu angefangen, der äußersten Aleuteninsel, war dann von Insel zu Insel nach Osten, in Richtung Alaska gezogen und hatte nach Anzeichen der Krankheit gesucht. Alle drei Tage wurde das Team von einem kleinen Wasserflugzeug abgeholt und anschließend mit frischen Vorräten auf dem nächsten Eiland abgesetzt. Auch am zweiten Tag auf Yunaska hatten sie noch keinerlei Krankheitsfall unter der hiesigen Seelöwenpopulation festgestellt, was Sarah zumindest etwas erleichterte.
Die hübsche Wissenschaftlerin mit den hohen Wangenknochen und den braunen Augen wanderte zügig die zwei Meilen zum Camp zurück, wo sie schon von weitem die drei hellroten Zelte sah. Ein gedrungener, bärtiger Mann, der ein Flanellhemd und eine abgewetzte Baseballkappe der Seattle Mariners trug, kramte in einer großen Kühlbox herum, als Sarah sich dem Lager näherte.
»Sarah, da bist du ja. Sandy und ich haben übers Mittagessen nachgedacht«, sagte Irv Fowler lächelnd. Er war ein unkomplizierter Mittfünfziger, der dem Aussehen und Benehmen nach gut zehn Jahre jünger hätte sein können.
Eine zierliche rothaarige Frau, die einen Topf und eine Schöpfkelle in der Hand hatte, kroch aus einem der Zelte. »Irv denkt ständig übers Essen nach«, entgegnete Sandy Johnson mit einem Grinsen und verdrehte die Augen.
»Wie ist es euch beiden heute Morgen ergangen?«, erkundigte sich Sarah, während sie sich einen freien Campingstuhl schnappte und sich setzte.
»Sandy hat die Statistiken beisammen. Wir haben eine Kolonie Stellers an der Ostküste überprüft, aber die sahen alle gesund und proper aus. Ich habe einen Kadaver gefunden, aber allem Anschein nach ist der Bursche an Altersschwäche
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