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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Diensten zu sein, ist stärker als all meine Sophisterei.
    »Jungs!« trompetet Maxie den Gang hinab. »Eine Runde Applaus für Sinclair. Wir haben ihn geschlaucht bis zum Gehtnichtmehr, aber er hat nicht schlappgemacht.«
    Beifall brandet auf, Gl äser werden erhoben. Eine Welle von Emotionen spült über mich hinweg, eine Mischung aus Schuldbewußtsein, Stolz, Solidarität und Dankbarkeit. Als mein Blick wieder klar wird, hält mir Maxie ein wei ßes Kuvert hin, ganz ähnlich dem, das aus Hajs Mappe hervorspitzte.
    »Fünftausend US-Riesen, alter Junge. Das hatte Anderson Ihnen doch gesagt, oder?«
    Ich gestand, da ß es sich so verhielt.
    »Ich hab sie auf sieben hochgehandelt. Längst nicht genug, wenn Sie mich fragen, aber mehr konnte ich nicht rausschlagen.«
    Ich fange an, mich zu bedanken, aber mit gesenktem Kopf, deshalb wei ß ich nicht recht, ob er mich hört. Die kugelsichere Hand kracht mir noch ein letztes Mal auf die Schulter, und als ich hochschaue, ist Maxie schon am anderen Ende der Maschine, und Benny brüllt: Alle Mann die Arschbacken zusammengekniffen, wir landen. Gehorsam lange ich nach meiner Reisetasche und schicke mich an, die Arschbacken zusammenzukneifen, aber es ist zu spät, wir setzen auf.
    * * *
    Ich habe sie nicht davongehen sehen. Vielleicht sah ich ihnen absichtlich nicht nach. Was gab es denn noch zu sagen? In meiner Vorstellung haben sie ihre Sees äcke über die Schulter geworfen und marschieren Colonel Bogey pfeifend zur Hintertür des grünen Schuppens hinaus, eine kleine Anhöhe hinauf zu einem namenlosen Bus.
    * * *
    Eine Sicherheitsbeamtin f ührt mich Flughafenkorridore entlang. Die Reisetasche schlägt mir gegen die Hüfte. Ich stehe vor einem dicken Mann, der an einem Schreibtisch sitzt. Die Tasche steht neben mir auf dem Boden. Auf dem Tisch: eine Sporttasche aus rotem Nylon.
    »Überprüfen Sie bitte den Inhalt und identifizieren Sie Ihr Eigentum«, sagt der Dicke, ohne mich anzusehen.
    Ich ziehe den Rei ßverschluß auf und identifiziere mein Eigentum: eine Smokingjacke, weinrot, mit dazu passender Hose, ein Frackhemd, weiß, eine Seidenschärpe, das Ganze als feste Wurst um meine Lacklederschuhe gerollt. Ein wattierter Umschlag mit Paß, Brieftasche, Terminkalender, diversen persönlichen Effekten. Meine schwarzen Seidensocken sind in meinen linken Lacklederschuh gepfropft. Ich ziehe sie heraus und bringe mein Handy zum Vorschein.
    Ich sitze im Fond eines schwarzen oder mitternachtsblauen Volvo Kombi, der mich ins Zuchthaus expediert. Meine Fahrerin ist die Sicherheitsbeamtin von vorhin. Sie tr ägt eine Schirmmütze, und der Rückspiegel bietet mir Sicht auf ihre Stupsnase. Meine Reisetasche habe ich mir zwischen die Knie geklemmt. Die Sporttasche steht neben mir auf dem Sitz. Mein Handy ruht an meinem Herzen.
    Dunkelheit senkt sich herab. Wir fahren durch Trabantenst ädte von Hangars, Werkstätten, Ziegelbarakken. Ein Eisentor, flutlichterleuchtet und mit Natodrahtgirlanden geschmückt, wächst vor uns aus dem Boden. Dickgepolsterte Polizisten mit Jockey-Mützen lungern davor herum. Meine Chauffeuse lenkt direkt auf die geschlossenen Torfl ügel zu und gibt Gas. Die Flügel teilen sich. Wir überqueren einen See aus Asphalt und halten neben einer mit roten und gelben Blumen bepflanzten Verkehrsinsel.
    Die T üren des Volvo entriegeln sich. Ich bin allen Ernstes entkommen. Auf der Uhr an der Ankunftshalle ist es zwanzig nach neun an einem heißen Samstagabend. Ich bin wieder in dem England, das ich nie verlassen habe, und ich muß schleunigst ein paar Dollar wechseln.
    »Ein fabelhaftes Wochenende noch«, wünsche ich meiner Chauffeuse in dringlichem Ton, was übersetzt soviel hieße wie: Tausend Dank, daß Sie mir geholfen haben, meine Bänder und Stenoblöcke aus Luton herauszuschmuggeln.
    Der Expre ßbus zur Victoria Station ist leer und stockdunkel. Fahrer rauchen und schwatzen daneben. Der entsprungene Häftling setzt sich ganz hinten in die Ecke, klemmt die Reisetasche zwischen die Beine und verfrachtet die rote Sporttasche ins Gepäcknetz. Er schaltet sein Handy ein. Es leuchtet auf, beginnt zu vibrieren. Er wählt 121 und drückt die grüne Taste. Eine strenge Frauenstimme warnt ihn, daß er FÜNF neue Nachrichten hat.
    Penelope, Freitag, 19.15: Sag mal, bist du noch zu retten, Salvo? Wo zum Teufel steckst du? Wir haben dich überall gesucht. Erst kommst du zu spät, zwei Minuten später sehen dich mehrere Zeugen, wie du zu einem Nebenausgang rausschleichst.

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