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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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über das Gelände verteilt waren und mit der Eile, die so typisch ist für das Ende von Konferenzen, ihre ganzen schönen Vorrichtungen demontierten. Spider, in Steppweste und Schlägerkappe, stand breitbeinig auf Hajs Steintreppe und rollte pfeifend seine Kabel auf. Im Pavillon kletterten zwei Anoraks auf Trittleitern herum. Ein dritter kauerte auf allen vieren vor der steinernen Bank. Im Heizungskeller lehnte der U-Bahn-Plan mit dem Gesicht zur Wand, alle seine Drähte aufgerollt und ver schn ürt. Die Kassettenrecorder waren zurück in ihre schwarze Kiste gewandert.
    Ein brauner Restesack, schon halb voll, stand mit offenem Schlund auf Spiders Schreibtisch, an dem die leeren Schubladen in bester Chatroom-Tradition herausgezogen waren. Jeder, der durch Mr. Andersons H ände gegangen ist, bleibt auf ewig seinen Vorschriften zur Eigensicherung verhaftet, von den Verhaltenstips für den Umgang mit dem Lebensabschnittsgefährten bis hin zu der goldenen Regel, niemals Apfelbutzen mit in den Restesack zu werfen, um nicht die vollständige Einäscherung von Geheimabfällen zu gefährden. Spider bildete da keine Ausnahme. Seine digitalen Tonbänder waren säuberlich etikettiert und numeriert, jedes in seinem eigenen kleinen Fach. Daneben lag das Heft mit seinen penibel geführten Tabellen. Unbenutzte Bänder, noch in ihren Gehäusen, stapelten sich ordentlich auf einem Bord gleich darüber.
    F ür meine Auswahl konsultierte ich die Tabellen. Die Spalte ganz vorne, handgeschrieben, listete die Bänder auf, die mir bekannt waren: Gästesuite, Königliche Gemächer etc. Ich nahm fünf heraus. Aber was enthielt die ebenfalls handgeschriebene Spalte ganz hinten? Wer oder was war S? Warum stand an der Stelle, wo der Standort der Mikrophone eingetragen gehört hätte, einfach nur S? S wie Spider? S wie Syndikat? S wie Sinclair? Oder – auch kein schlechter Gedanke! – S wie Satellit? War es denkbar, daß Philip oder Maxie oder Sam oder Lord Brinkley oder einer seiner namenlosen Partner – oder sie alle zusammen – zu Selbstschutzzwecken, fürs Protokoll, für das Archiv,
    ihre eigenen Telefonate abgeh ört hatten? Durchaus denkbar, entschied ich. Drei der Bänder waren mit einem Kugelschreiber-S markiert. Ich griff mir drei leere, markierte ihre Rücken mit dem gleichen S und nahm die Originale an mich.
    Als n ächstes galt es, die Bänder an meinem Körper zu verstecken. Zum zweitenmal seit meinem erzwungenen Kostümwechsel war ich dankbar für das Tweedsakko. Mit seinen übergroßen Innentaschen schien es wie gemacht für den Zweck. Der Bund meiner grauen Flanellhose war nicht weniger gastlich, aber meine Stenoblöcke hatten steife Deckel, und sie waren spiralgebunden. Ich überlegte noch, wie ich am besten mit ihnen verfahren sollte, als ich Philips Stimme hörte, die samtige Version, die Bühnenstimme.
    »Brian, unser Held. Hier stecken Sie also. Ich wollte Ihnen die ganze Zeit schon gratulieren. Jetzt kann ich es endlich.«
    Er lehnte in der T ür, einen roségewandeten Arm gegen den Rahmen gestützt, die weichsohligen Schuhe behaglich gekreuzt. Mir lag schon ein artiger Dank auf der Zunge, als mir gerade noch rechtzeitig einfiel, daß nach einer Spitzenvorstellung, wie ich sie hingelegt hatte, ein ausgepumpter, leicht ungnädiger Star eher überzeugen würde.
    »Freut mich, daß Sie zufrieden waren«, sagte ich.
    »Und jetzt wird aufgeräumt?«
    »Genau.«
    Zum Beweis warf ich einen meiner Bl öcke in den Restesack. Als ich mich wieder umwandte, prallte ich fast gegen Philip. Hatte er die Ausbeulungen um meine Bauchgegend bemerkt? Er hob die H ände, und ich dachte schon, er würde danach greifen, aber er langte an mir vorbei, um meinen Block wieder aus dem Restesack zu holen.
    »Also, ich muß schon sagen« – er befeuchtete die Fingerspitze und blätterte andächtig durch mein Bleistiftgekritzel. »Kommt mir ja alles ziemlich spanisch vor – aber die Spanier würden auch nur Bahnhof verstehen, oder?«
    »Mr. Anderson nennt es meine babylonische Keilschrift«, informierte ich ihn.
    »Und diese kleinen Schnörkel am Rand, was sind die?«
    »Anmerkungen für meine Wenigkeit.«
    »Und was merkt Ihre Wenigkeit sich so an?«
    »Stilistische Sachen. Versteckte Andeutungen. Feinheiten, auf die ich beim Übersetzen achten muß.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Aussagen als Fragen. Scherze, die nicht als Scherze gemeint sind. Sarkasmus. Sarkasmus funktioniert fast nie – beim Dolmetschen, meine ich. Er kommt nicht

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