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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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mache die Sache ja nun auch nicht besser. Ihr Monolog unterschied nicht nach Themen, sondern wälzte sich einförmig dahin. Manchmal machte sie eine Pause, die man ihr als Denkpause hätte anrechnen können, und räusperte sich dann vor dem Weitersprechen, unnötigerweise, denn es hätte sie ohnehin niemand zu unterbrechen gewagt. Vom Mikado kam sie ohne Atemholen oder Änderung im Tonfall auf ihre kürzliche Unterleibsoperation zu sprechen. Der Gynäkologe hatte die Sache grandios verpfuscht, aber gut, er war ein Freund, deshalb würde sie von einer Klage absehen. Nahtloser Übergang zu dem enttäuschenden Künstlermann ihrer Tochter, einem Taugenichts ersten Ranges. Sie hatte noch andere Ansichten, alle dezidiert, alle mir eigentümlich vertraut, und sie tat sie in ungebrochener Lautstärke kund, als der kleine Herr mit den blanken Schuhen die beiden Hälften seines Daily Telegraph zusammenklatschte, das Ergebnis der Länge nach faltete und damit auf den Tisch haute: einmal, zweimal, dreimal, und zur Sicherheit noch ein Schlag hinterher.
    »Ich muß sprechen«, verkündete er dem Raum trotzig. »Das bin ich mir schuldig. Also spreche ich« – eine Grundsatzansage, die an ihn selbst gerichtet war und niemanden sonst.
    Womit er auf den gr ößten der drei fleischigen Männer Kurs nahm. Das Bella Vista hat als echt italienische Trattoria Terrazzoboden und keine Vorhänge. Die Gipsdecke ist niedrig und nackt. Wenn sie seine Absichtserklärung nicht gehört hatten, so hätten sie doch wenigstens das hallende Klacken seiner gewichsten Schuhe hören sollen, als er auf sie zuhielt, aber die dominante Dame ließ uns gerade in den Genuß ihrer Meinung über die moderne Skulptur kommen, die keine hohe war. Es bedurfte mehrerer lauter Sirs seitens des kleinen Herrn, bis seine Anwesenheit überhaupt wahrgenommen wurde.
    »Sir« , wiederholte er, aus Gründen der Etikette strikt an das Oberhaupt der Tafel gewandt. »Ich bin hierhergekommen, um in Ruhe zu essen und meine Zeitung zu lesen« – er hielt das zerfledderte Etwas hoch wie ein Beweisstück vor Gericht. »Statt dessen finde ich mich einer wahren Redeflut ausgesetzt, die so laut ist, so banal, so aufdringlich, daß ich mich – jawohl« – das Jawohl in Würdigung der Tatsache, daß der Tisch ihm nun Aufmerksamkeit zollte –, »und eine Stimme ist darunter, Sir, eine Stimme vor allen anderen – ich werde nicht mit dem Finger zeigen, ich bin ein höflicher Mensch – Sir, ich fordere Sie auf, zügeln Sie sie.«
    Doch nachdem er solches gesprochen hatte, r äumte der kleine Herr nicht etwa das Feld. O nein, er blieb wacker stehen, wo er stand, wie ein mutiger Freiheitskämpfer vor dem Erschießungskommando, die Brust herausgestreckt, die polierten Hacken zusammengeschlagen, die malträtierte Zeitung säuberlich unterm Arm, dieweil die drei fleischigen Männer ihn ungläu big anstarrten und die gekr änkte Gattin wiederum ihren Mann anstarrte.
    »Darling« , zischelte sie. »Tu was.«
    Tu was? Und was tue ich, wenn sie es tun? Die massigen M änner aus Ricky waren alte Athleten, soviel war klar. Die Wappen auf ihren Blazern verströmten heraldischen Glanz. Gut möglich, daß sie ehemalige Mitglieder eines Polizei-Rugby-Teams waren. Wenn es ihnen beliebte, den kleinen Herrn zu Brei zu schlagen, wie konnte ein einzelner unschuldiger brauner Zuschauer einschreiten, ohne selbst noch viel gründlicher zu Brei geschlagen und obendrein als Terrorverdächtiger verhaftet zu werden?
    Letztlich taten die M änner gar nichts. Statt ihn zu Brei zu schlagen, seine Überreste in die Gosse zu werfen und die meinigen hinterher, musterten sie angelegentlich ihre sehnigen Pranken und versicherten einander in vernehmlichen Seitenbemerkungen, daß der arme Kerl offenkundig nicht ganz richtig im Kopf war. Ein Wahnsinniger. Vielleicht sogar eine Gefahr für die Öffentlichkeit. Oder für sich selbst. Warum ruft nicht jemand einen Krankenwagen?
    Was den kleinen Herrn anging, so kehrte der an seinen Tisch zur ück, legte einen Zwanzig-Pfund-Schein darauf und schritt mit einem würdevollen »Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen, Sir« für den Fenstertisch und nicht einmal einem Blick für mich zur Tür hinaus, ein Koloß in Taschenformat, und ich blieb zurück und zog meine Vergleiche zwischen dem Mann, der »Ja, Liebes, das verstehe ich vollkommen« sagt und sein Coq au Vin in den Müll kippt, und dem,
    der sich in die L öwengrube wagt, während ich dasitze und so tue, als läse ich meinen

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