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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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jungen wei ßen Hoffnungsträger der Zeitung, frisch einem Konkurrenzblatt weggekauft. Schlaksig, betrunken und neckisch wie stets, hielt er mir eine selbstgedrehte Zigarette hin, die er mit der hohlen Hand abschirmte.
    »Penelope, ich bin da! Ich hab’s geschafft!« rief ich, ohne ihn zu beachten. »Megakrise im Krankenhaus. Tut mir wahnsinnig leid!«
    Was tat mir leid? Die Megakrise? Ein paar K öpfe drehten sich nach mir um. Ach, der. Salvo. Penelopes Lanzenträger. Ich versuchte es lauter, diesmal unter Einsatz von Ironie. »He, Penelope! Kennst du mich noch nach der langen Zeit? Ich bin’s, dein Mann!« – und ich wollte mich schon hineinstürzen in eine ausgefeilte Geschichte darüber, wie mich eines meiner Krankenhäuser (welches, das würde ich aus Sicherheitsgründen nicht dazusagen) an das Bett eines sterbenden, immer wieder das Bewußtsein verlierenden Ruanders gerufen hatte, der mehrfach vorbestraft war,
    so da ß ich nicht nur für das Pflegepersonal hatte dolmetschen müssen, sondern auch für zwei Beamte von Scotland Yard, eine Zwangslage, von der ich hoffte, daß sie ihr Herz rühren würde: armer Salvo. Über ihr Gesicht breitete sich ein perlmattes Lächeln, und ich glaubte mich schon durchgedrungen zu ihr, als mir klar wurde, daß es in die Höhe gerichtet war, hinauf zu einem stiernackigen Mann, ebenfalls im Smoking, der auf einem Stuhl stand und in breitem Schottisch schrie: »Ruhe da unten, verdammt! Maul halten, alle miteinander!«
    Augenblicklich verstummte seine ungeb ärdige Zuhörerschaft und scharte sich lammfromm um ihn. Denn dies war kein anderer als Penelopes großmächtiger Chefredakteur Fergus Thorne, in Pressekreisen bekannt als Thorne the Horn, der ankündigte, daß er eine launige Rede auf meine Frau zu halten gedachte. Ich hüpfte auf und ab und tat mein Möglichstes, um ihren Blick einzufangen, aber das Antlitz, von dem ich mir die Absolution ersehnte, war zu ihrem Chef emporgehoben wie eine Blüte zu den lebensspendenden Strahlen der Sonne.
    »Nun, wir alle kennen Penelope«, begann Thorne the Horn zu Salven beifälligen Gelächters, die mich ärgerten, »und wir alle lieben Penelope« – bedeutsame Pause – »aus unserer jeweiligen Position heraus.«
    Ich versuchte mich zu ihr durchzudr ängeln, aber die Reihen hatten sich geschlossen, und Penelope wurde nach vorn durchgereicht wie eine errötende Braut, bis sie schließlich sittsam zu Mr. Thornes Füßen stand, was ihm ganz nebenbei einen ausgezeichneten Blick in ihr äußerst freizügiges Dekolleté bescherte. Und mir begann zu schwanen, daß sie mein Eintreffen womöglich ebensowenig zur Kenntnis genommen hatte wie zuvor mein Ausbleiben, als meine Aufmerksamkeit durch etwas abgelenkt wurde, das ich im ersten Moment als die Strafe Gottes in Form eines Herzinfarkts der Stärke zwölf diagnostizierte. Mein Brustkasten erbebte, eine Taubheit breitete sich in rhythmischen Wellen von der linken Brustwarze aus, und ich dachte, das war’s, und recht geschieht dir. Erst als ich die Hand an die befallene Stelle drückte, begriff ich, daß sich mein Mobiltelefon in dem unvertrauten Vibrationsmodus bemerkbar zu machen versuchte, den ich bei meinem Aufbruch aus dem Krankenhaus eine Stunde und fünfunddreißig Minuten zuvor eingeschaltet hatte.
    Meine Au ßenseiterrolle wendete sich nun zum Vorteil. Während Mr. Thorne seine doppelbödigen Bemerkungen über meine Frau ausbaute, konnte ich dankbar zu einer Tür schleichen, über der WC stand. Bevor ich mich hinausschob, zeigte mir ein letzter Blick zurück Penelope, die den von Meisterhand frisierten Kopf zu ihrem Chef aufhob, die Lippen leicht geöffnet in froher Überraschtheit, die Brüste großzügig zur Schau gestellt in dem knappen Oberteil ihres Hosenanzugs. Ich ließ mein Telefon weiterbeben, bis ich drei Schritte hinaus in den stillen Korridor gemacht hatte, drückte dann die grüne Taste und hielt den Atem an. Aber statt der Stimme, die ich vor allen anderen fürchtete und herbeisehnte, vernahm ich die onkelhaft-gutturalen nordenglischen R’s von Mr. Anderson aus dem Verteidigungsministerium, der zu wissen verlangte, ob ich kurz fristig f ür einen relativ brisanten kleinen Dolmetscherauftrag zum Besten des Vaterlandes verfügbar sei, was er stark hoffe.
    Da ß Mr. Anderson eine bloße Aushilfskraft wie mich persönlich anrief, ließ die Ausmaße der gegenwärtigen Krise ahnen. Normalerweise war mein Ansprechpartner Barney, sein fescher Abteilungsleiter. Zweimal in den

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