Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
nach Linz zu reisen, um seinen ehemaligen Klassenleiter Dr. Eduard Huemer aufzusuchen und um eine schriftliche Stellungnahme zu bitten. Die Schwester erhielt von Hitlers Lehrer, der mittlerweile Direktor des Gymnasiums war, ein regelrechtes Gutachten über den Schüler Adolf Hitler, in dem er feststellte: »Er war entschieden begabt, wenn auch einseitig, hatte sich aber wenig in der Gewalt, zum mindesten galt er für widerborstig, eigenmächtig, rechthaberisch und jähzornig, und es fiel ihm sichtlich schwer, sich in den Rahmen einer Schule zu fügen.« Was die schulischen Leistungen betraf, so urteilte der Direktor, dass Hitler »einen Durchschnittsschüler kaum überragte«. In der entscheidenden Frage der Hostienschändung allerdings konnte Angela ihrem Bruder die gewünschte Antwort des Lehrers liefern. Der wies die Gerüchte als »gelinde gesagt ganz unbegründet und haltlos« zurück. Der Direktor hatte seine Nachforschungen sogar so gründlich geführt, dass er im Schularchiv auch auf die Unterlagen von Hitlers älterem Bruder Alois gestoßen war, der das Gymnasium einige Jahre vorher besucht hatte. Er schrieb: »Ich verfolgte auch diese Spur … und fand tatsächlich einen Alois Hitler, der im 1. Semester ein Zeugnis ›dritter Klasse‹ erhalten hatte mit Minderentsprechend in Sitten (›wegen grober Verletzung der Disziplinarvorschriften‹) und der die Anstalt nach diesem Misserfolg verließ.«
Vor allem dank der Sympathie des bayerischen Justizministers Franz Gürtner für ihn erhielt Hitler für seinen missglückten Putschversuch ein ausgesprochen mildes Urteil: fünf Jahre Festungshaft mit der Aussicht auf baldige Entlassung bei guter Führung. Hitler dankte es Gürtner später dadurch, dass er ihm bis zu dessen Tod den Posten des Reichsjustizministers in Nazi-Deutschland überließ.
Hitlers Halbschwester Angela Raubal hatte sich spätestens von nun an ganz der Sache ihres Bruders verschrieben. Jahrelang fungierte die Mutter seiner 1931 durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Nichte Geli als Haushälterin auf dem Berchtesgadener Refugium des Diktators, dem »Berghof«. Als sie sich allerdings 1935 abfällig über Hitlers Freundin Eva Braun äußerte und sie eine »dumme Gans« nannte, kam es zum Bruch, und Hitler verbannte seine Schwester vom Obersalzberg.
»Unstetes Wanderleben«: Im Juni 1910 heiratete Alois Hitler in London die Irin Bridget Dowling.
New York Public Library, New York
»Lieblingsneffe des Führers«?: Zu Heinz, dem Sohn seines Halbruders Alois aus zweiter Ehe, soll Hitler eine enge Beziehung gehabt haben.
Verlag Florian Beierl, Berchtesgaden
»Heil Hitler, Herr Hitler«: Der Halbbruder des Diktators vor seinem Restaurant im Berlin, August 1937.
Corbis, Düsseldorf (Bettmann)
Hitlers Halbbruder Alois wusste seine Verwandtschaft mit dem »Führer« gewinnbringender zu nutzen. Mitten im Herzen Berlins eröffnete er 1937 am belebten Wittenbergplatz das Restaurant »Alois«, das sich bald zum beliebten Treffpunkt von SA-Leuten, Parteibonzen und Halbprominenten entwickelte. Stammgäste grüßten den Wirt mit einem vertraulichen »Heil Hitler, Herr Hitler« und ließen sich mit österreichischen Spezialitäten und Weinen verwöhnen. Die Geschäfte liefen so gut, dass Alois seinen Betrieb noch vergrößern wollte. Doch der Hausbesitzer, ein Jude, war dagegen. Kurzerhand brachte Alois seinen Namen ins Spiel und nutzte den Rassenwahn seines mächtigen Verwandten als Druckmittel. Er schrieb an die »Deutsche Arbeitsfront«: »Die Zeit der jüdischen Machthaber im Hausbesitz dürfte nach den letzten Gesetzen ihr Ende gefunden haben.« Der Opportunist hatte Erfolg und konnte seinen Betrieb ausbauen. Der Vermieter ging ins Exil nach Holland.
»Ganz der Sache ihres Bruders verschrieben«: Hitlers Halbschwester Angela Raubal fungierte bis Mitte der 1930er-Jahre als Verwalterin des Berghofs auf dem Obersalzberg.
bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Nach dem Krieg floh Alois mit seiner zweiten Ehefrau Hedwig von Berlin nach Hamburg. Jetzt war der Name Hitler zum Fluch geworden, den er so schnell wie möglich loswerden wollte. An die Polizei in Hamburg schrieb er: »Für die Zukunft erscheint es mir unmöglich, meinen Familiennamen Hitler weiter zu führen, der Name erschwert mir, meinen Beruf weiter auszuüben, und stellt eine Belastung im Umgang mit dritten Personen dar.« Der Antrag hatte Erfolg. Am 26.
Weitere Kostenlose Bücher