Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Eisenwaren schließlich als Kellner im renommierten Weinhaus Huth in Berlin gelandet – der vorläufige Abschluss einer jahrzehntelangen Odyssee, die ihn in seinen Wanderjahren über Frankreich bis nach Irland geführt hatte. Noch vor dem Ersten Weltkrieg hatte Alois in Dublin als Kellner gearbeitet und dort auf der Pferderennbahn die schöne Irin Bridget Dowling kennengelernt. Ihrem Vater gegenüber hatte er sich kurzerhand als Hotelbesitzer auf Bildungsreise ausgegeben, aber der war strikt gegen eine Verbindung mit dem Ausländer. Kurzerhand brannte das Liebespaar nach London durch und schrieb an den Brautvater, dass es nicht eher zurückkommen werde, bevor er nicht sein Einverständnis zur Heirat gegeben habe. Kurz nach der Hochzeit zog das junge Paar nach Liverpool, wo ein Jahr später ein Junge geboren wurde. Die Mutter bestand auf einem irischen Vornamen, der Vater wollte einen deutschen Namen haben, und so einigte man sich schließlich auf William (Wilhelm) Patrick Hitler. Dem Glück der jungen Familie schien zunächst nichts im Wege zustehen, nur die Spiel- und Wettleidenschaft von Alois stellte es immer wieder auf eine harte Probe. Seine Einnahmen waren spärlich, innerhalb eines Jahres musste Alois dreimal die Stellung wechseln. Nachdem er schließlich auch als Hotelbesitzer gescheitert war, wechselte er ganz das Metier. Während sein Halbruder Adolf zur gleichen Zeit in Wien versuchte, seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von selbst gemalten Bildern zu bestreiten, und davon träumte, ein berühmter Maler oder Architekt zu werden, hatte der Halbbruder Praktischeres im Sinn. Gemeinsam mit einem Kompagnon war Alois in das Rasierklingengeschäft eingestiegen und plante Großes. Von England aus wollte er den deutschen Markt erobern und kehrte im Frühjahr 1914 auf den Kontinent zurück. Ein ungünstiger Zeitpunkt, denn als Alois am 28. Juli 1914 in Berlin eine Postkarte an seine Frau aufgab, war dies sein letzes Lebenszeichen für viele Jahre. Er schrieb: »Alle sprechen vom Krieg. Man sagt, daß er in naher Zukunft ausbrechen wird. Ich glaube das zwar nicht, aber ich mache mich nächste Woche auf den Rückweg nach England.«. Am selben Tag erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg – der Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
»Hoch aufgestiegen«: Hitlers Vater Alois hatte im Zolldienst Karriere gemacht.
Bayerische Staatsbibliothek, München (Fotoarchiv Hoffmann)
»Deckname Wolf«: Adolf Hitlers einzige leibliche Schwester Paula um 1915.
Library of Congress, Washington, USA (Prints & Photographs Division)
Danach verlor sich die Spur von Alois für Jahre. Bridget hatte er über einen befreundeten Kellnerkollegen und angeblichen Kriegskameraden glauben gemacht, dass er in einem Lazarett in der Ukraine verstorben sei. Erst Jahre später sollte die verlassene Ehefrau die Wahrheit über ihren Mann und den Grund erfahren. Alois hatte ein zweites Mal geheiratet und noch einen Sohn bekommen: Heinz Hitler, der im Gegensatz zu seinem englischen Halbbruder zum Lieblingsneffen Adolf Hitlers avancieren sollte. Doch die Bigamie von Hitlers Halbbruder wurde entdeckt, man machte ihm vor dem Landgericht Hamburg den Prozess. Das Urteil lautete »schuldig«, und Alois wurde zu acht Monaten auf Bewährung und der Zahlung einer Geldstrafe von 800 Reichsmark verurteilt. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, denn genau zur gleichen Zeit musste sich noch ein anderer Hitler aus Österreich vor einem deutschen Gericht verantworten: sein Halbbruder Adolf Hitler. Der hatte sich gerade am 9. November 1923 in Deutschland zur Macht zu putschen versucht, war dabei gescheitert und nun wegen Hochverrats angeklagt.
Während der Prozess gegen den Halbbruder Alois in Hamburg in der Flut der alltäglichen Gerichtsverhandlungen unterging und niemandem weiter auffiel, sorgte der ultranationale Adolf Hitler in ganz Deutschland für Aufsehen. Der pflegte, um sich für die weibliche Wählerschaft interessant zu machen, das Image des Junggesellen und ließ seine SA-Schläger Fotografen verprügeln, um zu verhindern, dass ungünstige Fotos von ihm in die Presse gelangten. Kein Wunder, dass im Umfeld des Prozesses zahlreiche Gerüchte über Hitler laut wurden. Eines davon besagte, dass sich Hitler als Schüler einer Hostienschändung schuldig gemacht habe – ein Vorwurf, der im tiefkatholischen Bayern nicht ohne Sprengkraft war.
Hitler selbst schien die Sache immerhin so ernst zu nehmen, dass er seine Halbschwester Angela Raubal beauftragte,
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