Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
»Alpenfestung«.
Schon im Herbst 1944 hatte US -Geheimdienstmann Allen W. Dulles von dieser »Festung« gehört und aus Bern beunruhigende Meldungen nach Washington gekabelt: Die Deutschen seien dabei, die Alpenregion vom Comer See bis Wiener Neustadt in ein fast uneinnehmbares »Réduit« zu verwandeln, mit unterirdischen Fabriken und Kommandozentralen, einer Million kampferprobter Soldaten und Vorräten für ein Jahr. Heinrich Himmler und seine Gefolgsleute wollten – so die besorgte Annahme der Alliierten – mit diesem größenwahnsinnigen Plan ihre Haut retten.
Von vorsorgenden Maßnahmen der NS -Führung zeugen noch heute Spuren im gesamten Alpenraum – es finden sich Reste gigantischer Bauprojekte und unterirdischer Produktionsanlagen. Etwa im Stollen B des Bergwerks Ebensee: Hierher sollte die Produktion der V2-»Wunderwaffe« unter dem Codenamen »Zement« verlagert werden. Noch immer ist indes nicht geklärt, ob die Vision einer »Alpenfestung« nur ein gewaltiger Propagandabluff war oder ob dort wirklich eine komplette hochmoderne militärische Infrastruktur entstehen sollte. Die Alliierten gingen zumindest 1945 davon aus.
So begann kurz vor Ende des Kriegs ein dramatischer Wettlauf Richtung Alpen. Die US -Truppen, die bereits in Thüringen standen, nur wenige Tagemärsche von Berlin entfernt, schwenkten nach Süden um, während am 20. April 1945 die Gold- und Devisentransporte aus der Reichsbank in Mittenwald in der Gebirgsjägerkaserne ankamen. Der dortige Kommandeur ließ sie in der Nähe des Walchensees vergraben. In den ersten Maitagen erreichten die US -Truppen die »Alpenfestung«. Unter den US -Einheiten waren »Goldrush-Teams«, die geraubtes Vermögen sicherstellen sollten. Nach vielen Verhören fanden sie im Juni 1945 eine Spur des Reichsbankschatzes. Ein großer Teil wurde ausgegraben und sichergestellt.
Doch noch immer gibt es ungelöste Rätsel. Heute konzentrieren sich viele Forscher bei der Suche auf das Ausseerland in Österreich. Der Ort Bad Aussee wurde in den letzten Wochen des Kriegs zur Fluchtburg für SS -Größen, unter ihnen der Chef der Gestapo, Heinrich Müller, Adolf Eichmann und dessen rechte Hand Alois Brunner. Alle waren mit großen Mengen Fluchtgeld und Gold ausgestattet und trafen hier ihre Vorbereitungen für ein Nachkriegsleben. Noch heute wird gemutmaßt, dass viele Seen im Salzkammergut voll von Schätzen liegen, die damals beiseitegeschafft wurden und der Entdeckung harren.
So sind hier bis heute regelmäßig Glücksritter unterwegs, die hoffen, dass die Berge und Seen der Alpen noch mehr ihrer Geheimnisse und Schätze preisgeben. Befeuert werden sie immer wieder von Berichten über rätselhafte Aktivitäten bei Kriegsende sowie von Gerüchten, dass manch ein Bewohner der Region nach Kriegsende zu plötzlichem und unerklärlichem Reichtum kam.
Die Suche nach dem Nazi-Gold in der »Alpenfestung« zeigt eines: Auch wenn der Zweite Weltkrieg schon fast ein ganzes Menschenalter her ist – seine Geheimnisse werden uns weiter beschäftigen.
Ullstein Bild, Berlin (Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl)
Geheimakte Heß
E s ist eine Szene wie aus einem Gruselstreifen: Eben noch lag der idyllische Friedhof friedlich und unberührt im Dämmerlicht des anbrechenden Tages, da zerreißt plötzlich Motorenlärm die Stille. Autos fahren vor, mehrere Männer eilen durch das Gräberfeld und machen vor einem Grab halt. Es ist vier Uhr morgens. Die Männer beginnen, einen großen Grabstein aus der Verankerung zu hebeln, und hieven ihn dann auf einen Wagen. Andere schaufeln inzwischen die Grabstelle frei. Immer höher wächst der Hügel der aufgeworfenen Erde, dann stoßen sie auf das, was sie gesucht haben: Sie holen Gebeine aus der Tiefe und betten sie in einen mitgebrachten Sarg. Der Deckel wird geschlossen, der Sarg verschwindet in einem Auto, das den Friedhof verlässt. Schließlich wird das offene Grab wieder zugeschaufelt. Um sechs Uhr morgens ist der Spuk vorbei. Als an diesem 20. Juli 2011 im oberfränkischen Wunsiedel die ersten Besucher auf dem Stadtfriedhof eintreffen, erinnert nur noch ein Häufchen frisch aufgeworfener Erde daran, dass sich an dieser Stelle einmal eine Kultstätte für Neu- und Ewiggestrige befand: das Grab eines Mannes, der für die allermeisten Deutschen als mediokrer Stellvertreter des »Führers« und lebenslanger Gefangener im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis in Erinnerung geblieben ist, von manch anderem jedoch noch immer als Sinnbild des
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