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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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Kresse einbrachte. Als Graces Tablett leer war, gingen die beiden Schwestern gemeinsam weiter, priesen im Chor ihre Ware an und hatten gegen Mittag das am Morgen eingesetzte Geld mehr als verdreifacht. Grace liebäugelte mit dem Gedanken, die Teetasse von Mama wieder auszulösen, doch sie wusste, dass sie dafür einen Zuschlag würde zahlen müssen, und wenn sie dann noch die Miete für die Woche abzog, so bliebe ihnen nicht mehr genug für die neue Ware und etwas zu essen am folgenden Tag. Die Tasse musste also wohl oder übel beim onkel bleiben.
    Wie normal sich alles anfühlte, überlegte Grace, als sie nach Hause gingen. Als ob es gar kein Baby gegeben hätte und die qualvolle Nacht im Berkeley House nur ein Albtraum gewesen wäre. Abgesehen von dem vielsagenden Blick von Mrs   Macready hatte keiner ihrer Nachbarn mit irgendeinem Wort auf die Schwangerschaft angespielt. Grace vermutete, dass sie es entweder tatsächlich nicht bemerkt hatten oder aber nichts damit zu tun haben wollten. Hätte Grace tatsächlich jemandem von ihren Qualen erzählen wollen, von der Fahrt nach Brookwood hinaus, von ihren Gesprächen mit Mr   James Solent und Mrs   Emmeline Unwin, so hätte sich dafür gar keine Gelegenheit geboten. Und Lily war leider keine geeignete Gesprächspartnerin für derlei Dinge.
    Lily ging derweil, ein bekanntes Liedchen vor sich hin summend, fröhlich neben ihrer Schwester her und freute sich darüber, dass sie all ihre Kressesträußchen verkauft hatten und dass Grace wieder gesund nach Hause gekommen war – und, nun, vielleicht war es sowieso besser, dass es jetzt doch kein Baby gab, weil man Babys ja füttern musste, und dabei hatten sie doch manchmal gar kein Geld für etwas zu essen. Sie liebte Babys über alles, aber vermutlich musste man sich ständig um sie kümmern und   … Plötzlich brachen Lilys Gedanken abrupt ab. Sie kamen gerade an Morrells Pfandleihe vorbei, und da, auf einem eigenen Glasbord mitten im Schaufenster, prangte Mamas Teekanne.
    Lily hielt erschrocken die Luft an, blieb stehen und zeigte darauf: Die Teekanne, die sie so liebte, war wie durch ein Wunder wieder heil geworden!
    »Das ist Mamas Teekanne!«, rief Grace aus, die sie im selben Moment wie Lily gesehen hatte. »Oder eine ganz ähnliche.« Sie betrachtete zuerst die Teekanne und dann ihre Schwester. »Ist das tatsächlich unsere? Lily! Hast du sie zum Pfandleiher gebracht?«
    Lily brachte kein Wort heraus, so durcheinander war sie. Wie konnte so etwas sein?
    »Du hast sie hierhergebracht, stimmt’s?« Grace blickte Lily geknickt an. »Wie konntest du nur, Lily? Wie konntest du mir so eine furchtbare Lüge erzählen, dass jemand bei uns eingedrungen sei und sie gestohlen habe?«
    Lily fing an zu weinen. »Ich   … ich wollte sie doch nur versetzen, weil ich meine Kresse nicht verkaufen konnte und nicht mehr genug Geld für neue da war. Und ich dachte, das   … das Baby braucht doch Kleider.«
    »Wie viel hat er dir dafür gegeben?«, fragte Grace fassungslos. »Und was hast du mit dem ganzen Geld gemacht?«
    »Gar nichts hat er mir gegeben! Die Teekanne ist zerbrochen. Sie ist heruntergefallen, als ich sie dem Mann gereicht habe.«
    »Was?«
    »Ich hab sie ihm über den Ladentisch gereicht, und da ist sie dem Mann heruntergefallen. Also   … «, fuhr sie betreten fort, »der Mann hat gesagt, ich hätte sie fallen lassen, aber ich glaube nicht, dass ich das habe.«
    »Hast du gesehen, dass sie kaputt war?«
    Sie nickte. »Sie lag auf dem Boden. In lauter Scherben.«
    »Aber jetzt steht sie hier«, sagte Grace und deutete auf die Teekanne.
    »Ist das   … ist das Zauberei?«, fragte Lily ängstlich.
    »Nein, das ist keine Zauberei«, sagte Grace. »Aber ein Trick ist es allemal.« Sie dachte schweigend nach, während sie zum Ende der Gasse weitergingen. »Ich warte jetzt hier, und du läufst so schnell du kannst nach Hause«, sagte sie schließlich zu Lily. »Auf dem Kaminsims in unserem Zimmer liegen zwei kleine weiße Kärtchen. Ich will, dass du mir die bringst.«
    Lily, die nur zu begierig war, ihren Fehler wiedergutzumachen, tat wie ihr geheißen und kam Minuten später mit den beiden Kärtchen zurück. Grace befahl ihr, auf sie zu warten, zog ihr Schultertuch fester um sich, straffte den Rücken und ging in Morrells Geschäft.
    Morrell war nicht erfreut über die Störung, denn es war Samstag, und er saß über eine Rennsportzeitung gebeugt und suchte sich gerade seine Favoriten fürs Pferderennen

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