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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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errötete, kaum dass sie es gesagt hatte, weil Mama sie doch immer ermahnt hatte, dass man über Körperteile nicht sprach.
    »Doch, es war schon da, aber es war nicht kräftig genug, um gesund auf die Welt zu kommen«, sagte Grace vorsichtig. »Es ist gestorben, und jetzt ist es im Himmel.«
    »Oh.« Das war aber traurig, dachte Lily, denn das Baby wäre doch etwas Schönes zum Spielen gewesen.
    »Ich habe es an einen Ort gebracht, wo es beerdigt wurde, einen wunderschönen Friedhof auf dem Land. Deshalb war ich auch so lange weg.«
    Lily dachte darüber nach. »Können wir es da besuchen und Blumen hinbringen?«
    »Irgendwann einmal, ja«, sagte Grace und musste daran denken, wie einmal eine nette Frau aus dem Waisenhaus sie zu Mamas Grab mitgenommen hatte und wie Lily, als sie sie einen Moment lang aus den Augen gelassen hatten, von den anderen Gräbern Blumen eingesammelt hatte, um sie auf den Gräbern zu verteilen, wo keine lagen. Nun hielt sie Lily ein Stück von sich weg und schaute sie prüfend an. »Aber wie ist es dir denn ergangen? Bist du zurechtgekommen? Hast du gestern Brunnenkresse gekauft? Und wann kam denn dieser Dieb und hat die Teekanne gestohlen? Hast du ihn gesehen? Hat er sonst noch was mitgenommen?«
    Lily runzelte die Stirn, während sie darüber nachdachte. Geschichten zu erfinden war so schwierig, und meistens kam sie dabei durcheinander. Immer gab es irgendeine Kleinigkeit darin, die seltsam klang und die Grace sofort aufhorchen ließ.
    »Jemand hat sie mitgenommen«, gab Lily ausweichend zur Antwort. »Ich weiß nicht, wer. Jemand ist hereingekommen und hat sie ganz kaputt gemacht.«
    Grace musterte ihre Schwester und wusste sogleich, dass sie log, denn sie fing an, mit angespanntem Gesichtsausdruck an ihren Fingernägeln herumzukauen. Doch Grace wollte die Angelegenheit jetzt nicht weiterverfolgen, sie war einfach zu erschöpft. Die Wahrheitwürde schon noch ans Licht kommen. Das war immer so bei Lily.
    Am frühen Abend ging Grace mit der Teetasse zu einem Pfandleiher – nicht zu Morrell, sondern einem jüngeren und ehrlicheren »Onkel«, der ihr einen silbernen Sixpence dafür gab. Grace wusste, dass sie sich damit für ein oder zwei Tage über Wasser halten konnten, musste allerdings immer öfter daran denken, was aus ihnen werden sollte, wenn sämtliche Überbleibsel aus ihrem früheren Leben versetzt worden waren und auch das letzte Stück Nippes, die letzte Decke und die letzten übrigen Kleidungsstücke fort waren. Was sollten sie essen, wie sich warm halten und Kerzen kaufen, um im Dunkeln Licht zu machen? Was sollte bloß aus ihnen werden? Ein Schaudern erfasste sie – nur nicht das Arbeitshaus! Nein, nie, nie, niemals.
    Sie hielt das Sixpence-Stück auf dem Heimweg so fest in der Hand, als wäre es ein Talisman. Bestimmt würde ihnen irgendetwas Gutes widerfahren, bevor es so weit kam. Vielleicht käme ja ihr Vater zurück und würde sie finden, oder die Nachfrage nach Brunnenkresse würde ansteigen und sie könnten plötzlich zehnmal so viele Sträußchen wie jetzt verkaufen, oder vielleicht würde sie ja einen Geldschein finden, den ein Windstoß die Straße entlangfegte, denn wenn man den Zeitungsannoncen glaubte, dann verlor anscheinend ständig jemand einen. Oder – sie mussteschmunzeln bei dem Gedanken – vielleicht käme ja eine gute Fee daher und würde sie und Lily in eine dieser feinen jungen Damen verwandeln, die man in bunten kleinen Kutschen mit offenem Verdeck herumfahren sah – diese Wendung der Dinge wäre nämlich auch nicht unwahrscheinlicher als alle anderen.
    Als sie auf dem Weg hinauf zu ihrem Zimmer an der Küche vorbeikam, rief ihr Mrs   Macready einen Gruß zu. Grace hatte ihr von der bevorstehenden Geburt nichts erzählt, zum einen aus Angst, die Vermieterin würde ihr womöglich untersagen, das Baby mitzubringen, zum anderen weil sie sich dachte, das Kind werde vielleicht einfach wieder weggehen, wenn sie so tat, als sei es gar nicht da. In der Hoffnung, Mrs   Macready möge ihr wachsender Bauch unter den voluminösen Unterröcken entgangen sein, rief sie ihr ein »Guten Tag« zu und fügte hinzu, dass sie sich beeilen müsse, weil Lily oben warte.
    »Oh, bitte, komm doch einen Augenblick herein zu mir, Kind!«, rief Mrs   Macready trotzdem.
    Grace bauschte ihre Röcke auf, damit ihre Figur darunter nicht zu erkennen war, und ging in die Küche, wo Mrs   Macready mit einem der Lebensmittelhändler vom obersten Stock beisammensaß und sich ein

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