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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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bereits nach zwei Wochen ihre Miete für einen ganzen Monat zur Seite legen, und bald darauf kaufte Grace die Teetasse von Mama vom Pfandleiher zurück und erwarb zwei Strohkörbe, in denen sie ihre Kresse vorteilhaft anrichten und umhertragen konnten. Außerdem schaffte Grace es, zwei Shillinge für eine Zugfahrt nach Brookwood zur Seite zu legen, um bei Gelegenheit einmal das Grab ihres toten Kindes zu besuchen.
    Ende August wendete sich das Blatt jedoch erneut, diesmal zu ihren Ungunsten: Der Bach, den einer der größten Kressebauern in Hampshire zum Bewässern seiner Pflanzen benötigte, trocknete aus, weil die Gemeindeverwaltung ihn zur Frischwasserbeschaffung in ein nahegelegenes Dorf umgeleitet hatte. Dadurch entstand plötzlich ein solcher Mangel an Kresse, dass die Großhändler am Farringdon Markt den Preis für ein Büschel gleich mehrmals verdoppeln konnten. Noch dazu regnete es beinahe drei Wochen lang fast jeden Tag, wodurch weniger Käufer auf den Straßen unterwegs waren – mit dem Ergebnis, dass Grace und Lily gegen Ende September so arm waren wie eh und je. Die Shillinge, die Grace für die Bahnfahrt mit dem Nekropolis-Zug zur Seite gelegt hatte, waren für Essen aufgebraucht worden, und Mamas Teetasse war erneut beim Pfandleiher gelandet, samt der Kanne und den Strohkörben. Und nun hatten sie noch nicht einmal mehr das Geld für die nächste Wochenmiete beisammen.
    »Wir haben nur noch sechs Pennys übrig. Davon werden wir morgen drei große Büschel kaufen«, sagte Grace und legte die Münzen auf dem Deckel einer ihrer Kisten aus. »Wenn wir es ganz sorgsam angehen und vier kleine Sträußchen aus jedem großen machen und sie jeweils für einen Penny verkaufen, dann haben wir   … « Sie zählte die Summe an ihren Fingern ab. »Zwölf Pennys.« Sie seufzte. »Und davon müssen wir am nächsten Tag sechs für die neue Ware einsetzenund zwei für die Miete und zwei für ein paar Kartoffeln – ach, und einen für die Benutzung von Mrs   Macreadys Ofen, um die Kartoffeln zu kochen. Selbst wenn wir die ohne alles essen, reicht das Geld kaum.«
    »Wir könnten doch eine Annonce in der Zeitung aufgeben!«, schlug Lily vor. Sie saß auf einer Kiste, Grace kniete neben ihr auf dem Boden. »Wir könnten sagen, dass wir Geld benötigen, weil wir ehrenwerte Damen in misslicher Lage sind   … « Ein paar Tage vorher hatte Grace solch eine Anzeige vorgelesen, und obwohl Lily nicht verstanden hatte, was die Worte im Einzelnen genau bedeuteten, war sie davon fasziniert gewesen.«
    »Und was glaubst du wohl, was so eine Anzeige in der
Times
kosten würde?«
    Lily schüttelte unsicher den Kopf.
    »Gewiss zehn Shillinge.«
    »Zehn Shillinge! Dann können die ehrenwerten Damen aber nicht in einer
sehr
misslichen Lage gewesen sein«, sagte Lily. Sie zog die Stirn in tiefe Falten und dachte nach. »Vielleicht könnte eine von uns was anderes versuchen, um Geld zu verdienen; irgendeine andere Arbeit   … «
    »Vielleicht«, stimmte Grace zu. Jetzt, wo sie nur noch so wenig Kresse verkauften, war es ja wirklich nicht nötig, dass sie beide damit durch die Straßen zogen.
    »Ich könnte die Straße fegen!«, fuhr Lily fort. »Ichkönnte einen Besen kaufen, nach feinen Damen Ausschau halten und ihnen einen Weg bahnen. Das machen die Wilson-Kinder auch. Oder ich könnte den Gentlemen ihr Pferd halten.«
    »Die guten Straßenkreuzungen sind alle in fester Hand«, gab Grace zu bedenken. »Und nur Burschen haben die Kraft, ein Pferd zu halten.«
    »Also, dann könnte ich doch vor einem Geschäft warten und anbieten, den Damen ihre Päckchen zu tragen. Oder ich könnte Sachen auf der Straße auflesen. Patrick Cartwright hat erzählt, er hätte mal zwei seidene Taschentücher gefunden.«
    »Was er damit wirklich meint, ist, dass er sie in fremden Taschen gefunden hat«, sagte Grace.
    »Oder ich könnte am Fluss unten im Schlamm nach Sachen suchen.«
    »Nein!«, rief Grace. »Auf gar keinen Fall. Weder du noch ich werden das je tun. Nicht das. Eher gehe ich   … «
    Lily schaute sie an und brach in Tränen aus. »Ich geh nicht zurück in das Heim, wo wir zuletzt waren!«
    Grace rückte näher zu ihrer Schwester und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Nein, Lily, niemals. Dahin werden wir nicht zurückgehen.«
    »Du hast es versprochen. Du hast versprochen, dass wir da nie wieder hingehen. Du hast gesagt, egal was passiert, aber wir gehen nie wieder da hin!« Wenn Lily einmal angefangen hatte zu weinen, dann

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