Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)
nicht«, sagte sie. »Da waren viele Kinder … «
»Kinder, die von ihren Angehörigen aus dem Weg geschafft worden waren«, warf James mit gedämpfter Stimme ein.
»Und ich habe mich um ein paar von ihnen gekümmert und ihnen Geschichten erzählt. Aber du hast mir so gefehlt! Und ich habe immer gefragt, wann ich dich wiedersehen kann, aber keiner hat mir zugehört.« Sie musterte staunend und voller Bewunderung Graces modisches Kleid und den Hut. »Aber du siehst auf einmal so schick aus, wie eine noble Dame … Hast
du
mich denn auch vermisst?«
»Oh, und wie!«, antwortete Grace und drückte sie noch fester an sich. »Jede Minute.«
»Mrs Beaman meldete also die Sache«, fuhr James fort, »die hiesige Polizei fing an zu ermitteln und schickte bald zwei Leute nach Manchester, die sich mit Kollegen dort oben zusammentaten und schließlich herausfanden, wo Lily hingebracht worden war. Sie haben sie gestern nach London zurückgebracht, und ein geistesgegenwärtiger Polizist erkannte ihrenNamen wieder und erinnerte sich daran, um wen es sich hier handelte. Er kontaktierte Binge & Gently, und den Rest kennst du.«
»In der Tat, und es ist ganz wunderbar«, sagte Grace und strich ihrer Schwester über das zerzauste Haar.
»Sie haben gesagt, dass du mich vielleicht besuchen kommst, und da habe ich den ganzen Tag am Fenster gestanden und hab nach dir Ausschau gehalten, aber du bist nicht gekommen«, erzählte Lily traurig.
»Liebste Lily«, sagte Grace. »Den größten Teil der Zeit wusste ich nicht einmal, dass du weggebracht worden warst! Und als ich es erfuhr, erzählten sie mir, du wärst mit einem Stallburschen durchgebrannt.«
Bei dieser Vorstellung verzog Lily so angewidert das Gesicht, dass James und Grace in schallendes Gelächter ausbrachen.
Eine gute Viertelstunde später kehrte Mr Stamford in das Vorzimmer zurück und sah höchst zufrieden mit sich aus.
»Mr und Mrs Unwin sowie Miss Charlotte Unwin werden allesamt der arglistigen Täuschung angeklagt«, sagte er. »Es ist offensichtlich, dass Sylvester Unwin in den Plan mit eingeweiht war, aber wie wir alle wissen, hat der allmächtige Herrgott seine Strafe schon vollstreckt.«
Lily schaute fragend ihre ernsten Gesichter an. »Was bedeutet denn das alles?«
Grace holte tief Luft. »Ich muss dir eine Menge erzählen.« Sie wandte sich an Mr Stamford. »Weiß meine Schwester schon von Papa und dem …?«
Mr Stamford schüttelte den Kopf. »Wir haben ihr nicht viel gesagt. Wir dachten, das sollte sie besser von Ihnen erfahren.«
»Was?«, fragte Lily, da alle sie auf einmal anschauten.
»Ich erzähle dir alles, wenn wir im Hotel sind«, versprach Grace, denn sie fühlte sich auf einmal vollkommen erschöpft und müde.
»Binge & Gently sind jetzt im Besitz aller nötigen Dokumente«, erklärte Mr Stamford, »einschließlich der gefälschten Adoptionsurkunde. Es fehlt jetzt nur noch eine eidesstattliche Erklärung von jemandem, der sie vor mindestens sechs Monaten als die Schwestern Grace und Lily Parkes kannte.«
»Das wird Mrs Macready machen«, sagte Grace. »Ich glaube, sie wohnt bei ihrem Sohn in Connaught Gardens.«
»Dann schlage ich vor, dass mein Assistent hier«– Mr Stamford deutete auf James –»morgen Vormittag mit Ihnen dort hinfährt und sie bittet, freundlicherweise ihre Unterschrift unter das entsprechende Papier zu setzen. Und dann muss nur noch ein Treuhandvermögen eingerichtet werden.« Er überlegte kurz. »Ich vermute, Sie besitzen kein Bankkonto?«
Grace schüttelte den Kopf.
»Dann werden wir ein gemeinsames Konto für Sieund Ihre Schwester eröffnen und Geld nach Ihren Bedürfnissen überweisen.«
Lily runzelte die Stirn, gähnte und schaute Grace an.« »Sind wir reich? Ist es Papa?«
»Es ist Papa, und ja, ich glaube fast, wir werden ziemlich bald schon ziemlich reich sein«, erwiderte Grace.
Kapitel 30
»Können wir eine Kutsche nehmen?«, fragte Grace, während sie mit James von der Empfangshalle des Hotels in den feuchtgrauen Londoner Morgen hinausblickte. Sie trug einen dunkelgrünen Pelzumhang mit dazugehörigem Muff und Hut. Die Farbe brachte ihr Haar schön zur Geltung und ließ ihre Augen bernsteinfarben leuchten.
James lachte. »Wie schnell du dich an deinen neu erworbenen Reichtum gewöhnt hast«, merkte er an. »Zwei Nächte in Londons bestem Hotel, Frühstück im Bett – und jetzt verlangst du nach einer Kutsche, um nach Connaught Gardens gebracht zu
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