Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
Prolog im Bett
»Woran denkst du gerade?«, fragte er, während ich meinen Kopf unruhig auf seiner Schulter hin und her wälzte. Ich dachte an den Wecker, der morgen früh um fünf Uhr klingeln, und an den Zug nach Hamburg, der um sechs Uhr drei vom Hauptbahnhof abfahren würde. Ich dachte an das Interview mit dem neuen Hamburger Torwart, den ich um zehn Uhr dreißig in einem Hotel treffen sollte, dessen Adresse ich in der Redaktion vergessen hatte. Ich dachte an meine vollautomatische Kaffeemaschine, die noch nicht umprogrammiert, an mein Handy, das nicht aufgeladen und an meine Periode, die seit zwei Wochen überfällig war. Ich dachte an alles Mögliche, nur nicht an Sex. »Es hat dir nicht gefallen, oder?«
»Was?« Ich hob überrascht den Kopf und bohrte dabei mein Kinn in seine Brust. Tim sah mich nachdenklich an. »Was meinst du damit?«, fragte ich ungeduldig, weil es sich wie der Beginn einer langen Diskussion anhörte, bei der ich eigentlich nur verlieren konnte.
»In erster Linie das, was sich gerade im Bett zwischen uns abgespielt hat.« Tim gab sich Mühe, ungezwungen zu klingen.
Natürlich war mir klar, dass wir hier wohl kaum von der heutigen Niederlage seines Lieblingsvereins oder der Chinapfanne von vorhin sprachen, die mir immer noch schwer im Magen lag. Aber was genau wollte er jetzt von mir hören? Dass ich zu müde, mit meinen Gedanken woanders, nicht in der Stimmung gewesen war? Ich hatte keine Ahnung, worauf Tim hinauswollte. Aber was er ganz offensichtlich nicht hören wollte, war das lahme »Doch schon!«, das mir einfach so über die Lippen kam.
»Du kannst mir ruhig sagen, wenn ich etwas besser machen soll, wenn ich an mir arbeiten soll«, bohrte er weiter nach.
»Heißt das, wir müssen zusätzliche ›Trainingseinheiten‹ einlegen?«, zog ich ihn auf, bevor ich ihm mit der gesamten Überzeugungskraft, die ich in meiner Trägheit noch zusammenkratzen konnte, versicherte, dass der Sex toll und er heute Nacht genauso gut wie immer gewesen war. Dann rollte ich mich zur Seite, zog mir die Bettdecke bis unters Kinn und nuschelte ein unverständliches »Muss morgen früh raus«.
»Ja, gut , aber du hast es auch schon mal besser erlebt, oder?«, kam es von seiner Seite des Bettes zurück. Und auch der Versuch, mich schlafend zu stellen, brachte ihn nicht zum Schweigen. »Wenn du mich mit deinen Exlovern vergleichst, wo liege ich da? Im Mittelfeld, im vorderen Mittelfeld oder schon eher in der Spitze?«
Manchmal hatte es wirklich Nachteile, mit einem Exprofifußballer zusammen zu sein. Alles artete in einen Wettkampf aus. Dabei musste selbst Tim wissen, dass man solche Fragen nur ganz und gar diplomatisch regeln konnte – mit einer Notlüge.
»Natürlich wäre es gelogen, wenn ich jetzt sagen würde, dass von meinen Exfreunden keiner so gut im Bett war wie du.« Immerhin sprachen wir hier von einer nicht ganz unwesentlichen Zahl, die Tim schon immer ein Dorn im Auge war. »Aber mit dir ist es doch ganz anders.«
»Anders, aber nicht besser.«
»Doch, weil … weil … weil … ich dich liebe.«
»Heißt das, du hast keinen einzigen deiner Exfreunde geliebt?«
»Nein.« Ich schlug entnervt die Bettdecke zurück. Tim schaute mich herausfordernd an. »Na gut, aber nicht so wie dich. Außerdem ist Sex nun wirklich nicht das Wichtigste in einer Beziehung.«
»Eben, weil es dir nicht gefallen hat.«
PMS
Daniel Schulte hieß die neue Torwartsensation des HSV. Mit dreiundzwanzig gehörte er zwar nicht mehr zu den ganz jungen Nachwuchstalenten der Bundesliga, aber er hatte für Furore gesorgt, als er überraschend für die beiden Hamburger Torwarte einspringen musste, die das Kunststück fertiggebracht hatten, sich in einem Freundschaftsspiel noch vor Beginn der neuen Saison in nur zehn Minuten nacheinander so schwer zu verletzen, dass sie die nächsten Monate ausfielen. Daniel war als gänzlich unbeschriebenes Blatt von den Hamburger Amateuren zu den Profis gekommen und hatte gleich in seinem ersten Spiel eine glänzende Vorstellung abgeliefert. Inzwischen, nach nur drei Wochen Bundesliga, war sein Name in aller Munde und sein Bild auf jedem Titelblatt.
Aber das war auch schon alles, was ich über ihn wusste. Außer den üblichen kleinen Skandälchen, wie Cannabismissbrauch in der A-Jugend oder frühe Scheidung der Eltern, die die Boulevardpresse ausgegraben hatte, gab es in der Fußballwelt keine weiteren Informationen über ihn. Das sollte sich ab heute ändern.
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