Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
über den Innenhof zur Scheune, dann durch die Wiesen, die dringend mal gemäht werden mussten, und in den Stall, in dem Tim mir jede Kuh einzeln vorstellte. Tatsächlich waren die Wehen mit etwas Bewegung besser zu ertragen, und außerdem lenkte mich Tims Kurzeinführung in das Leben auf dem Bauernhof von der bevorstehenden Geburt ab.
»Aufgeregt?«, fragte Tim plötzlich, als wir bei der Melkmaschine angekommen waren, die ihn anscheinend wieder auf das Hauptthema dieses Morgens zurückgebracht hatte.
»Allerdings.«
»Ich auch.« Tim nahm mich in den Arm. Ich wollte ihm einen Kuss geben, aber schon kam die nächste Wehe. Und diesmal schien sie gar nicht mehr aufzuhören. Tim führte mich nun doch vorsichtshalber ins Haus.
Die Hebamme war schon da und traf die letzten Vorbereitungen. Sie war noch sehr jung. Jünger als ich, was ich von einer bayrischen Dorfhebamme nicht erwartet hatte. Ich hoffte, dass ich nicht ihre erste Geburt nach der Examensprüfung war, aber die Art, wie sie mich untersuchte und mir Hilfestellung leistete, wirkte sehr professionell. Auch sie schwor auf die natürliche Geburt, ohne Schmerzmittel und im Vierfüßlerstand. Offenbar herrschte auf dem Lande ein allgemeiner Zurück-zur-Natur-Trend. Aber in meinem derzeitigen Zustand meldete ich nur schwache Einwände an und ließ mich schnell von den Vorzügen überzeugen. Die Wehen hörten nun überhaupt nicht mehr auf, und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den Rest der Geburt gerne Tim überlassen. Er schien sich sowieso viel besser an den Vorbereitungskurs zu erinnern und half mir, wo er nur konnte. Aber diesen letzten schmerzhaften Teil musste ich wohl oder übel allein durchstehen.
Nachdem ich eine halbe Stunde lang vergeblich gepresst hatte, sehnte ich mir einen Kreißsaal, Vollnarkose und Kaiserschnitt herbei. Aber die Hebamme überzeugte mich davon, dass alles nach Plan verlief, auch wenn mein persönlicher Plan eindeutig anders aussah. Nach einer weiteren halben Stunde war ich bereit, die Geburt auf später zu verschieben oder am besten gleich ganz abzusagen. Ich weigerte mich, weiter auf die Anweisungen der Hebamme einzugehen. Ich würde dem Baby schon zeigen, wer den größeren Dickschädel von uns beiden hatte. Ich wollte nur noch von dieser dämlichen Turnmatte aufstehen, mich ins Bett legen und endlich schlafen. Aber Tim und mein Körper überredeten mich dazu, weiterzumachen. Und auf einmal ging alles ganz schnell. Ich presste so stark, dass mir vor Schmerzen fast schwarz vor Augen wurde, aber plötzlich war der Kopf draußen und dann das ganze Baby. Benommen starrte ich auf den verschmierten zerknitterten Winzling, den die Hebamme in den Händen hielt, hörte Tim sagen: »Es ist ein Junge«, und dann wurde mir wirklich schwarz vor Augen.
Als ich wieder aufwachte, lag ich im Bett. Außer Tim war niemand mehr im Zimmer. Er saß neben mir am Kopfende, hielt unser Baby im Arm und strich mir gleichzeitig über die Haare.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er leise, als ich meine Augen aufschlug.
»Als hätte ich gerade einen Fußball aus mir herausgepresst.«
Verzückt schaute Tim auf die Tücher in seinem Arm, in denen sich irgendwo unser Baby versteckte.
»Na ja, einen, dem die Luft ausgegangen ist, vielleicht.«
Er kroch zu mir unter die Bettdecke und legte mir unser Baby auf den Bauch. »Hier. Unser Sohn.« Er betonte die beiden Wörter stolz, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Der Kleine blinzelte mich erstaunt aus schielenden Augen an und fuchtelte unkontrolliert mit den Ärmchen herum. Es kam mir immer noch vor wie ein Traum. Kaum zu glauben, dass ich gerade unseren Sohn im Arm hielt. Tim und ich hatten uns noch nicht einmal für einen Namen entschieden. Ich streichelte den winzigen nackten Rücken und hätte heulen können vor Glück. Als Tim mir einen Kuss auf die Stirn drückte, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Dabei war ich so glücklich wie noch nie. Am liebsten hätte ich genau jetzt die Zeit angehalten. Tim kamen auch die Tränen, und plötzlich lagen wir zu dritt im Bett – unsere neue kleine Familie – und weinten.
Vorsichtig strich ich über den kleinen Kopf auf meiner Brust. Er hatte kaum Haare, nur einen weichen, dunkelbraunen Flaum.
»Zum Glück hat er deine Haarfarbe geerbt. Aber dass unser Sohn jetzt als Bayer zur Welt gekommen ist, werde ich dir nie verzeihen. Wenn du das nächste Mal vor mir wegläufst, verkriechst du dich gefälligst nicht in den Bergen,
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