Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare
der Eheschließungen weiter zurück: Die Heiratsneigung hat im Westen langsam, im Osten rapide abgenommen. Insbesondere junge Menschen warten mit der Eheschließung immer länger. Statistiker des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung haben zudem berechnet, dass unter den Jüngeren jede dritte Frau und sogar knapp 40 Prozent der Männer niemals heiraten werden. Dabei sind Ehen von allen Partnerschaften die stabilsten.
Während die traditionelle Ehe auf dem Rückzug ist, sind neue Lebensformen auf dem Vormarsch: nicht eheliche Lebensgemeinschaften und lockere Beziehungen ohne gemeinsame Wohnung, Ein-Eltern-Familien, Singles. Trennungen von Familien führen dazu, dass immer mehr Kinder nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Die Ehe hat ihre Monopolstellung, sowohl was die Partnerschaft als auch die Familie anbelangt, verloren. Heute ist ein Paar dann ein Paar, wenn zwei Menschen sagen, dass sie eines sind, unabhängig vom Familienstand und unabhängig vom Geschlecht des Partners. Und dasselbe gilt auch für die Familie. Sie ist dort, wo Kinder sind, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind, die Kinder in einem oder beiden Haushalten aufwachsen oder bei einem Elternteil wohnen – oder zusammen mit anderen Partnern der Eltern.
Beziehungsbiografien von Frauen, Männern und Kindern befinden sich in einem weit reichenden sozialen Wandel, den Forscher als einschneidender ansehen als beispielsweise die »sexuelle Revolution« der späten 1960er- und 1970er-Jahre. Ging es bei der »sexuellen Revolution« um eine freiere Sexualmoral und liberalere sexuelle Verhaltensweisen, geht es jetzt darum, nicht mehr um jeden Preis zusammenzubleiben. Damit steht auch die Glaubwürdigkeit dauerhafter Beziehungen zur Disposition. Andererseits: Wenn Paarbeziehungen generell nicht mehr so stark wie bisher an Kindern anknüpft, könnte dies auch eine Chance für eine neue Sinngebung sein.
Beziehungen sind endlich
Ein markantes Kennzeichen des sozialen Wandels sind die häufiger werdenden Trennungen und Scheidungen. Trennungen haben mittlerweile Normalstatus, und damit steigt der Beziehungsumsatz pro Leben. Interessant dabei ist, dass diese Entwicklung auch für frühere Phasen der Partnerschaft gilt. Die Abfolge vom »getrennten Zusammensein« über das »unverheiratete Zusammenwohnen« hin zur Ehe wird immer seltener und ist im jungen Erwachsenenalter untypisch geworden. Die Folge ist, dass schon im Stadium des »getrennten Zusammenseins« heute mehr Beziehungen auseinandergehen. Die eine große Liebe gibt es immer seltener. Liebe wird zu »Lieben in Folge«. Im Jahr 2008 ist die Zahl der Ehescheidungen um 3% gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Die Zahl der amtlichen Trennungen ist damit seit dem Rekordstand von 2004 wieder angestiegen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, wurden 2008 in Deutschland etwa 191 900 Ehen geschieden. Von den im Jahre 2008 geschiedenen Ehepaaren hatten knapp die Hälfte Kinder unter 18 Jahren. Bundesweit lässt sich ein Drittel aller Paare scheiden. Hinzu kommen die ungezählten Trennungen unverheirateter Paare, die in der Statistik naturgemäß nicht enthalten sind.
Die Bereitschaft, sich vom Partner zu trennen, hat in der Vergangenheit stetig zugenommen. 1960 betrug die Scheidungshäufigkeit in einem Heiratsjahrgang noch 15%, 1970 waren es bereits 25%, 1980 dann 33%. 1995 lag diese statistische Häufigkeit dann bei 40%.
Trennungserfahrungen sind längst kein Merkmal jüngerer Paare, wie Leipziger und Hamburger Sexualforscher in einem Ost-West-Projekt herausfanden, in dem 776 Frauen und Männer aus Leipzig und Hamburg über ihre Beziehungen und Singlephasen interviewt wurden, und zwar drei Generationen:
30-Jährige, 45- und 60-Jährige. Wie groß die Veränderungen sind, zeigt sich deutlich bei den 30-Jährigen. 92 Prozent von ihnen haben sich schon mindestens einmal getrennt. Viele von ihnen haben bereits mehr Beziehungen hinter sich, als die 60-Jährigen in ihrem ganzen Leben hatten. Partner- und Beziehungswechsel bewerten sie positiv als »Phase des Suchens und Ausprobierens«. Auch rund 88 Prozent der befragten 45-Jährigen haben sich schon einmal getrennt. Sie kennen ebenfalls wechselnde Partnerschaften und bewerten dies positiv, doch wünschen sie sich eine dauerhafte Beziehung. Auch das Beziehungsverhalten der älteren Generation verändert sich. Die große Mehrheit der 60-Jährigen ist noch unter vorliberalen Verhältnissen aufgewachsen und oft ganz traditionell in das
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