Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare
erhebliche Macht über ihr Leben.
Machen Sie sich vorab eines klar: Nicht nur Sie oder Ihr Partner wurde verletzt, sondern auch Ihre Beziehung ist dadurch beschädigt worden. Ergänzen Sie Ihre »Ich-Sicht« durch eine »Wir-Sicht« – selbst wenn Sie kein Paar mehr sind.
2. Kapitel
Vergeben und vergessen
Die Methode des Ausgleichs als gemeinsamer partnerschaftlicher Akt
Wenn wir durch unseren Partner gekränkt und verletzt wurden, ist auch unser Gerechtigkeitsgefühl verletzt. Der Partner ist an uns schuldig geworden. Unser Gerechtigkeitsempfinden macht es uns schwer zu verzeihen. Wir fordern Genugtuung für erlittene Verletzungen – wenn nicht im Guten, so im »Bösen«: Wir bestrafen ihn, indem wir unsere Verletztheit pflegen und unserem Partner unversöhnlich entgegentreten. Wir erwarten also einen Ausgleich: Der Partner soll sich entschuldigen oder auch eine Wiedergutmachung leisten. Erst dann sind wir zur Versöhnung bereit. Beim Ausgleich geht es um die Frage, was der andere braucht, damit die Waage der Ungerechtigkeit wieder ausbalanciert wird. Der Paartherapeut und Autor Hans Jellouschek (1997) schlägt folgendes Versöhnungs-Ritual vor:
Partner A: »Ich anerkenne, dass ich dich damit verletzt habe, auch da, wo ich es nicht absichtlich wollte. Es tut mir von Herzen leid, dass ich dich damit verletzt habe. Bitte verzeihe mir!«
Partner B: »Ich höre und sehe, dass du meine Verletzung anerkennst und dass es dir leidtut. Ich nehme deine Bitte an, ich verzeihe dir, und ich bin bereit, meine Verletzung loszulassen. Darum sichere ich dir zu, dass ich sie in Zukunft in Auseinandersetzungen nicht mehr nennen werde.« Wird die Verletzung durch die Entschuldigung nicht aufgehoben, kann zusätzlich noch eine Wiedergutmachung erfolgen.
Mit einem solchen Ritual können auch alte Verletzungen zwischen den Partnern bearbeitet werden. Wichtig ist, dass diesem Ritual der Entschluss zur Versöhnung vorausgeht: Wir müssen davon überzeugt sein, dass es sich versöhnt besser leben lässt. Versöhnung ereignet sich nicht einfach, man muss sie anbieten. Es braucht darüber hinaus ein Angebot der Wiedergutmachung, besonders wenn die Kränkung deutlich von einem der Partner ausgeht. Wenn sich dieser auf die Wiedergutmachung einlässt, anerkennt er auch sehr konkret, dass er etwas falsch gemacht hat. Indem man die Pflicht zur Wiedergutmachung anerkennt, hat man ein Recht darauf, dass die Wiedergutmachung angenommen wird. Damit ist man aus der Position des Übeltäters oder der Übeltäterin entlassen. Es ist wieder eine gewisse Gerechtigkeit hergestellt.
Ein ähnliches Ritual findet sich bei dem Psychotherapeuten Dirk Revenstorf (2008). Hintergrund seines »Verzeihungs-Rituals« ist der Gedanke, dass in einer Auseinandersetzung zwischen Partnern häufig eine verwundbare Stelle berührt wird. Geschieht dies, greift der Betroffene reflexartig zum Selbstschutz – und dies oft ohne Rücksicht auf Verluste. Der Gegenschlag trifft dann meist zielgenau die wunde Stelle des anderen, der dann ebenfalls den »Hammer« herausholt. Das Ganze endet dann in gegenseitigen Kränkungen, die langfristig die Beziehung vergiften. So viel zum Hintergrund. Das Revenstorf ’sche Verzeihungs-Ritual besteht aus folgenden Schritten:
Den verletzten Partner bitten, mitzuteilen, was ihn gekränkt hat
Der verletzte Partner formuliert dann:
Es hat mich verletzt, als du …
Für mich war das …
Ich fühlte mich dadurch …
Darauf nimmt der andere dazu Stellung:
Ich erkenne deinen Schmerz an.
Ich wollte dich nicht verletzen.
Ich wollte für mich erreichen, dass …
Ich wollte mich schützen vor …
Ich bitte dich um Verzeihung.
Der verletzte Partner verzeiht, wenn er kann, oder er formuliert die Bedingungen dafür.
Natürlich muss die Bitte um Verzeihung von Herzen kommen, und die formulierten Bedingungen dürfen nicht überzogen sein.
Unabhängig davon, welche Methode der Versöhnung gewählt wird, der Vorteil liegt auf der Hand: Die Partner bemühen sich gemeinsam, partnerbezogene Kränkungen aus der Welt zu schaffen und ihre Beziehung von einer Last zu befreien. Gelingt dies, stärkt dies auch die Partnerschaft. Die gelungene Versöhnung zeigt ihnen, dass ihnen das Miteinander immer noch wichtiger ist, als recht zu behalten. Die Versöhnung ist ein Bekenntnis zur erneuten Gemeinsamkeit. Die Versöhnung sollte am Ende jeweils explizit gemacht werden, zum Beispiel durch eine Umarmung, durch einen Handschlag, durch Sätze wie »Jetzt ist es gut«
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