Geht das denn schon wieder los?
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Kapitel 1
W as weißt du über Wüsten?«
»Sie sind groß, bestehen überwiegend aus Sand und sind sogar zur Rushhour relativ unbelebt«, rekapitulierte ich meine Erinnerungen an die Durchquerung der Negev-Wüste, allerdings nicht hoch zu Kamel, was wenigstens stilvoll gewesen wäre, sondern bequem im klimatisierten Bus. Außerdem lag die Sache mindestens fünfzehn Jahre zurück, doch ich vermute, dass sich die Wüsten seitdem nicht sonderlich verändert haben. »Und weil wir gerade beim Thema sind: Bekomme ich noch eine Tasse Kaffee? Sonst kriege ich den Kuchen nicht runter, der ist ja so was von trocken …«
»Ist doch auch Sandkuchen«, kalauerte meine Tochter, »und ich habe ihn genau nach Rezept gemacht. Jedenfalls fast!«
Das glaubte ich ihr aufs Wort. Stefanie ist eine hervorragende Köchin, nur mit dem Backen hat sie nichts am Hut. Trotzdem versucht sie es immer wieder, obwohl Ehemann Hannes sie ständig damit tröstet, dass Konditoren letztendlich auch leben wollen und es am Ort sogar einen gebe, der über die Stadtgrenzen hinaus als Meister seines Fachs hoch gelobt werde. »Natürlich habe ich die fettreduzierte Variante genommen, man muss sich ja nicht schon
vor
den Feiertagen Pölsterchen anfressen!«
Das ist zwar richtig, erklärt aber auch, weshalb der Kuchen krümelt und wir schließlich die Kuchengabeln zur Seite legten und zu den Teelöffeln griffen. »Jedenfalls schmeckt er besser als er aussieht«, versicherte ich, »und er knirscht auch kein bisschen. Weshalb also deine Anspielung auf Wüstensand?«
»Na ja, langsam wird es Zeit, dass wir unseren Urlaub planen!«
Das allerdings stimmte. Bis zum kalendarischen Winteranfang war es nicht mehr lange hin, Steffi hatte vorhin die zweite Kerze auf dem Adventskranz angezündet, und zu diesem Zeitpunkt pflegen wir jedes Jahr Kataloge zu wälzen und uns exotische Reiseziele auszusuchen, die dann doch wieder nicht infrage kommen, weil sie entweder zu weit weg liegen oder zu gefährlich sind (wer plant schon vor dem Urlaub seine Entführung ein?), keine Tauchmöglichkeit bieten, gerade Regenzeit haben und vor allem viel zu viel kosten. Aber Wüste war noch nie dabei gewesen! »Wollt ihr etwa in einer Oase gründeln?«
»Es geht ja auch mal ein paar Tage ohne Korallenriffe«, sagte Stefanie, einen relativ dünnen Katalog durchblätternd, »ich habe da nämlich was gefunden. Hier …« Sie reichte mir das aufgeschlagene Heft herüber. »Das wäre doch mal was.«
Zumindest wäre es etwas absolut Neues, denn statt der sonst üblichen Strandkulisse mit Meer vorne, Palmen am Rand und im Hintergrund das grundsätzlich weiße Hotel mit Terrasse, Pool und bunten Sonnenschirmen gab es hier lediglich eine Zeichnung. Jemand mit nur mäßiger Begabung hatte eine Rotunde hingestrichelt, die auf den ersten Blick einem komfortablen, weil außergewöhnlich großen Klohäuschen ähnelte, wie man es gelegentlich auf Autobahnparkplätzen findet. Erst auf den zweiten Blick war eine Art Zeltdach zu erkennen. Weiteres Gestrichel deutete Grüngewächse an und der Rest bestand aus Text. Er war länger als sonst in Katalogen üblich und besagte, dass es sich bei dieser Zeichnung um ein neu errichtetes Hotel mitten in der Wüste handele, das bei Drucklegung des Katalogs noch nicht fertig gewesen war und deshalb auch nicht fotografiert werden konnte. Nach seiner Eröffnung im Februar würde es allerdings allen nur erdenklichen Luxus bieten, angefangen vom eigenen Pool vor jedem Zelt bis zu einer der Umgebung angepassten Freizeitgestaltung wie Falkenjagd, Wüstenrallye, Bogenschießen, Kamel-Safari und was man sonst so mit nichts als Sand drumherum offenbar zu treiben pflegt.
»Sag mal, tickst du nicht ganz richtig?«, war alles, was mir im ersten Moment einfiel. »Weder hast du jemals Karl May gelesen noch als Kind im Sandkasten gespielt. Stattdessen hast du in jeder Regenpfütze gesessen und bist sogar mal durch den Abwasserkanal gekrochen. Also woher kommt dein plötzliches Interesse für Sandwüsten?«
»Drüber geflogen sind wir ja schon öfter, und immer habe ich mir gewünscht, das Ganze auch mal hautnah zu erleben«, ergänzte sie im Hinblick auf die Strapazen, mit denen bei einem Fußmarsch wohl zu rechnen sein würde.
»Und an welche hattest du gedacht? Da wäre zunächst mal die Sahara, meines Wissens die größte Wüste, aber wenn es auch eine kleinere sein darf, dann empfehle ich die Namib in Südwestafrika oder gleich dahinter die Kalahari, schön
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