Geht das denn schon wieder los?
Roten Kreuz, die ja auch gern musikalisch umrahmt werden. Die Zwillinge waren immer dabei gewesen und Karen auch, weniger aus altruistischen Gründen, sondern wegen der Nikolaustüten, die es hinterher zur Belohnung gegeben hatte. Und da Eltern bei sportlichen Veranstaltungen als Zuschauer und speziell Mütter für den jeweiligen Fahrdienst gebraucht werden, kennen sie meist auch die anderen Kinder, denn die haben sie natürlich wechselseitig abgeholt oder wieder heimgebracht.
Später hatten sich die Mädchen aus den Augen verloren. Karen hatte eine Hauswirtschaftslehre begonnen, unsere beiden waren nach Heidelberg übergesiedelt, Karen hatte gleich ihre erste Liebe geheiratet, die Zwillinge wollten aber noch nicht mal ihre jeweils dritte Liebe heiraten, und entsprechend groß war denn auch die Überraschung gewesen, als Karen nicht nur mit Ehemann Siggi ins Nebenhaus zog, sondern gleich mit zwei Kindern, die sogar schon aus dem Windelalter heraus waren.
»Selbst wenn ich mal heiraten sollte …«, hatte Katja philosophiert, nachdem sie einen Abend lang Babysitter gewesen war, damit Karen und Siggi ihren fünften Hochzeitstag im Nobelrestaurant mit einem intimen Diner à deux feiern konnten, »ich glaube, auf Nachwuchs verzichte ich besser. Das erste Drittel unseres Lebens wird uns schon von unseren Eltern verdorben und das zweite offenbar von unseren Kindern!«
»Bleibt immer noch ein Drittel übrig!«, hatte ich sie erinnert.
»Stimmt! Aber das ist dann der so genannte Ruhestand; ein angenehmes Leben mit unangenehm wenig Geld.«
Anne wiederum hatten wir kennen gelernt, als Ehemann Eddie an einem lauen Sommerabend im Garten Gitarre gespielt und völlig akzentfrei Countrylieder gesungen hatte. Bis dato war in der Nachbarschaft nur deutsches Liedgut zu hören gewesen, besonders nach gewonnenen Länderspielen, als die Siege erst mit Bier und dann mit der schwarzbraunen Haselnuss und dem Ännchen von Tharau gefeiert worden waren.
Neugierig geworden hatte ich hinten übern Gartenzaun gelinst, war entdeckt und auf die Terrasse gebeten worden, hatte ein frisch gegrilltes Steak essen und Budweiser aus der Dose trinken müssen, und nach anderthalb Stunden hatte sich Rolf auf die Suche nach seiner abhanden gekommenen Ehefrau gemacht … Seitdem steht Eddie gelegentlich zum Fußballgucken oder bei Formel eins auf der Matte und Anne auch ohne einen bestimmten Grund. Oder ich bei ihr.
Schon damals bei Nickis Polterabend hatten Anne und Karen mitgeholfen, vom Lkw herunter die angeschlagenen beziehungsweise unverkäuflichen Restbestände an Keramik und Porzellan zu zertrümmern, die Hannes und Steffi herangekarrt hatten (es war ein sehr erfolgreicher Auftritt gewesen!), und nach der Hochzeit, als das junge Paar ins Flitter-Wochenende gefahren war, hatten wir gemeinsam einen halben Tag lang die Wohnung der beiden dekoriert – ebenfalls sehr erfolgreich!
Also war es nur logisch, dass meine zwei Nachbarinnen auch bei Katja poltern würden – diesmal ganz bescheiden mit einem angeschlagenen Milchtopf beziehungsweise einer sehr hässlichen Blumenvase aus der Adenauer-Ära, das Geschenk einer unlängst verstorbenen Tante und nunmehr zum Entsorgen freigegeben. »Als antik geht sie noch nicht durch!«, hatte Anne bedauert. »Und bei eBay bin ich sie nicht losgeworden.«
Noch zweimal pendelten wir zwischen Auto und Garagen, dann hatten wir unsere Platten und Schüsseln endlich herangeschleppt, von Deckeln und Folien befreit, erleichtert festgestellt, dass ihr jeweiliger Inhalt keine Mesalliance mit anderen Salaten eingegangen war, und schließlich dort aufgebaut, wo sowieso kaum noch Platz gewesen war. Offenbar hatte es in diesem Jahr eine Tomatenschwemme gegeben, denn Tomatensalat war recht häufig vertreten und der mit dem gekochten Schinken und den niedlichen Hörnchen-Nudeln drin ebenfalls.
»Ich hatte mir erst überlegt, ob ich statt Heringsalat nicht besser einen aus Champignons machen soll«, sinnierte Karen beim Anblick der geballten Kalorienmenge in Form von Wurst und Käse mit ein bisschen Brot drunter, »es gibt doch immer Leute, die kein Fleisch mögen.«
»Vegetarier essen zwar keine Tiere, aber dafür fressen sie ihnen das Futter weg!«, sagte eine Stimme hinter mir, und die kannte ich recht gut!
»Wann wird denn endlich das Buffet offiziell eröffnet?« Mit der rechten Hand angelte Hannes eine Brötchenhälfte von der Platte ganz hinten, schob mit der linken Hand die Lücke wieder zu und biss herzhaft in
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