Geier (German Edition)
Feierabend setzte sich Ignacio zu uns. Wir waren schon ordentlich in Fahrt, und hatten lauthals allerlei Blödsinn auf den Tisch gelegt. Mistys Notizen lasen sich wie die Weihnachtswunschliste eines steinreichen Drogensüchtigen. Eine Ranch in Nordmexiko, eine Finca am Pazifik, ein Privatflugzeug für weite Reisen, eine Motorjacht für den Trip nach Chile. Wir saßen da und kotzten die Angst vor dem eigenen Mut durch den Alkoholfilter auf Papier. Ignacio lachte nur.
„Feiert schön. Morgen früh werden wir eine hübsche Fahrt unternehmen, uns irgendwo still hinsetzen und zum letzten Mal über den ganzen Plan gehen. Aber bis dahin will ich euch nicht stören.“ Er musste noch Besorgungen machen, also ging er, obwohl wir ihn drängten, sich doch zu uns zu setzen und erst mal einen zu trinken.
Kurz nach einundzwanzig Uhr rief Señor Gonzales an.
„Mein Freund in Mexiko zeigt Ihnen sehr gern seinen Besitz – aber er sagt, dass er einen Interessenten aus San Diego hat, der Ende nächster Woche nach Guerrero Negro kommen will. Also meine ich, dass Sie so schnell wie nur möglich dorthin fliegen sollten. Nach Tijuana und dann mit dem Leihwagen die Tagesfahrt an die Lagune.“
„Würden Sie mitkommen, Señor?“ Logisch, dass der Kneipenwirt eine Provision kassiert – soll er auch was dafür tun.
„Wenn Sie mein Ticket bezahlen und mir den Aufenthalt vergüten, komme ich gern mit. Señor Rick fährt doch auch mit, oder?“
Ich grinste. „Señor Rick fährt auch mit. Wie würde Ihnen übermorgen gefallen? Wir haben noch in Tijuana zu tun, aber wir könnten Freitag nach Guerrero Negro fahren und uns anschauen, was Ihr Freund dort anbietet.“
Er überlegte einen Augenblick und stimmte zu. Ich sagte ihm, dass ich ihn am Donnerstagvormittag anrufen würde, um Einzelheiten festzulegen. Rick wollte mit dem Abendflug von Santa Barbara nach Tijuana, und wenn noch Platz frei war, könnten ja alle drei. Ich konnte nicht mit, was ich aber dem misstrauischen Herrn Gonzales nicht auf die Nase binden wollte. Würde er schon merken, wenn sie sich treffen. Ich verließ mich auf Misty und Rick, sich umzuschauen und in meinem Sinne zu handeln.
Also freuten wir uns noch mehr, was zu erneutem Konsum führte, bis wir drei einfach nicht mehr konnten. So dicht war ich seit Beginn dieser Geschichte schon nicht mehr, und die beiden neben mir wohl auch nicht. Wir kicherten nur noch zwischen Nickerchen.
37 Methlab
Mittwoch machten wir uns einen schlauen Tag. Wir vier gingen früh raus, marschierten übers Feld und in den Wald, tranken unser Bier und den Rotwein, den Ignacio aus dem Keller geholt hatte, aßen Früchte und Nüsse, dümpelten ein wenig drahtlos im Internet herum, eigentlich nur, um zu sehen ob sich etwas geändert hatte – es war alles beim alten geblieben – und machten uns keine Sorgen.
Über den Punkt waren wir schon längst hinaus. Sorgen macht man sich wegen der Ungewissheit. Wir wussten, dass es entweder nach Plan klappen würde oder wir dabei draufgingen. Also wozu sich noch Sorgen machen?
Am Abend saßen wir unter den Sternen, freuten uns über die laue Nacht, alberten herum und soffen zu viel. Außer Ignacio. Der hatte auf Sprudel umgestellt, als er anfing, minutenlang zu kichern. Wird gut sein, dacht ich mir. Jede Gruppe braucht einen Nüchternen.
Donnerstagvormittag rief ich bei Gonzales an, um ihm zu sagen, wann wir losfliegen würden. Er war wohl in der Stadt, denn seine Frau war am Apparat.
„Werde ich ihm ausrichten. Er kommt auf alle Fälle mit, und ich soll Ihnen sagen, dass er Sie am Flughafen trifft. Um sechs, also, in Santa Barbara. Und wie geht es Señor Rick?“
„Gut, Señora. Wollen Sie mit ihm sprechen?“ Rick stand neben mir und winkte heftig ab. Sie traute sich wohl nicht, denn sie verneinte zögernd und bat mich, einen schönen Gruß auszurichten. Was ich gern tat.
Inzwischen nüchtern, besprachen wir noch mal die Einzelheiten der nächsten Tage. An meinem Ende war alles klar. Ich hatte meinen Plan intus, hatte trotz intensiver Überlegung und strategischer Suche keine Schwächen gefunden, und war überzeugt, dass es klappen würde. Rick war auch ganz zuversichtlich. Er würde seine Post am Freitagmorgen in Tijuana aufgeben und gleich darauf mit den beiden anderen losfahren.
„Warum gibst du nicht die Päckchen weiter südlich auf? Je weiter von der Grenze entfernt, umso authentischer wirkt es.“
„Aber Tijuana ist die Drogenhochburg. Ich meine, wir täten
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