Geier (German Edition)
weil ich sie im Truthahntopf mache. Dauert einen ganzen Tag, wenn ich einen Dreißiglitertopf koche. Soll ich Ihnen ein Glas mitgeben?“
Misty wehrte ab, wollte das großherzige Geschenk nicht annehmen, aber Frau Gonzales bestand darauf. Also schleppte sie ein Gallonenglas voller Mole an, und Misty konnte sich gar nicht fassen. Egal, ob Erste oder Dritte Welt – Frauen heucheln überall gleich gern und unverschämt gut.
Die Señora wollte wissen, woher Misty sich mit einer Spezialität wie Mole auskenne – die Gringos schätzen doch Schokolade am Huhn sonst nicht.
„Unsere Köchin auf der Ranch meiner Eltern machte sie oft – und ich konnte nie genug bekommen“, machte die blonde Misty mit der Buttermilchhaut klar, dass sie die landesübliche Einstellung zu Mexikanerinnen teilte, den von ihren Arbeitgeberinnen „Spanish Girls“ genannten Hausgehilfinnen, denn man wollte sich nicht die Blöße geben, seine Mexikaner auch so nennen zu müssen.
„Und wir dachten, dass wir vielleicht mal nach Mexiko ziehen“, sagte sie und meinte offensichtlich mich mit ihrem „wir.“ Herr Gonzales hob sofort witternd den Aztekenzinken und glotzte Misty an.
„Wir haben nämlich vor, mit Jon zusammen ein Hotel oder eine Pension aufzumachen“, erklärte der gewiefte Rick. Aha! Herr Gonzales lächelte. Wie schön, dass sich Freunde nicht trennen wollen. Und sein Mexiko sei doch ein ideales Land für solche Vorhaben. Wo wir denn hinwollen?
„Ich dachte an Baja“, sagte Misty, „und zwar die Pazifikseite. Nicht unbedingt an den Golf von Kalifornien, sondern dort, wo der Tourismus schon angesiedelt ist.“
„Ahh, Señora, da kenne ich zufällig jemanden, der altershalber etwas Land verkaufen will. An der Laguna Ojo de Liebre“, schwärmte der plötzlich feuchtäugige dicke Südländer. „Etwas nördlich von Guerrero Negro, in einem winzigen Dorf direkt am Pazifik, meinem Geburtsort. Und wie es der Zufall will, steht sogar ein kleines, altes Hotel dort direkt am Hafen. Das ist zwar schon lange geschlossen, weil die Touristen alle nach Guerrero Negro fahren, um dort die Wale zu beobachten, aber es wäre ein herrliches Stück Land für jemanden wie Sie“, lockte er.
Herr Gonzales redete sich richtig warm, während die hinter ihm stehende Gattin meinem Rick Schafsaugen machte.
„Sie könnten ihre hiesigen Freunde schon mal als Kunden gewinnen“, schlug er vor, „und die würden dann weitererzählen, wie schön es dort bei Ihnen ist, und wie ruhig.“ Hörte sich hübsch an. Er war ganz begeistert von seiner Überzeugungskraft.
„Und warum kommen die Touristen nicht in Ihr Dorf, Señor? Von dort aus könnte man doch sicher auch Wale sehen, oder ist es zu weit weg?“
Gonzales guckte traurig in die Ferne. „Nein, Señora, man sieht sogar sehr viele Wale direkt vor der Küste. Aber die Salzgewinnung in Guerrero Negro ist Schuld daran, dass die Touristen nicht bis in unser Dorf kommen. Das Wasser der Lagune ist sehr salzhaltig, wohl wegen des Rückflusses aus den Meerwassersalinen. Der hohe Salzgehalt erleichtert neugeborenen Walkälbern das Schwimmen. Viele Menschen dort besitzen große Boote, mit denen sie im Spätwinter Touristen dicht an die Wale bringen, und das ist inzwischen eine riesige Attraktion. Und Guerrero Negro liegt im Schatten der Insel, weshalb die Brandung lange nicht so stark ist wie im Dorf Los Santos, von dem ich sprach.“
Misty nickte, und ich horchte auf. „Brandung, Mister Gonzales?“
„Ja, die Wellen kommen dort aus dem Nordwesten, und weil die Lagune so flach ist, mit einem Felsenriff einige Hundert Meter vor der Küste, brechen die Wellen dort so hoch, dass sich viele nicht trauen, mit ihren Pangas dort hinauszufahren. Größere Schiffe hätten kein Problem, aber unsere Leute dort sind so arm, dass sie sich nichtmal zusammen ein entsprechendes Schiff mit flachem Boden kaufen könnten.“
Wenn ich so was höre, bleibt mir fast das Herz stehen. Was der Mann dort beschrieb, hörte sich verdammt nach idealem Surfstrand an. Elend langer Anlauf – zwischen Alaska und dem mexikanischen Strand gab es nur ein paar entfernte, kleine Inseln, die sich dem Seegang entgegenstellen – ein Riff, ein ordentlicher Auslauf, auf dem sich die aufgestauten, endlich mit gewaltigem schneeweißem Kamm brechenden Wellen verteilen konnten und der Rückfluss trotzdem Widerstand bot, sodass sich der nächste Brecher durchkämpfen musste. Ich schluckte. So was Sagenhaftes! So was suche ich in
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