Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co
Anfalls, der mit Spasmen in einem spezifischen Teil des Körpers beginnt und sich danach gemäß einem mehr oder weniger festen Muster über eine Körperhälfte ausbreitet, war Jackson nicht der Erste. Der Franzose Louis-Francois Bravais hatte schon 1827 über >halbseitige Epilepsie< publiziert. 8 Jackson hat auch immer anerkannt, dass Bravais ihm zuvorgekommen war. Anfälle mit einem lokalen Beginn nannte er sogar >Bravais-Anfälle<. Jacksons Beitrag bestand eher darin, dass es ihm gelang, den elektrischen Ursprung epileptischer Anfälle und die untereinander sehr verschiedenen Symptome dieser Anfälle in einer Theorie über die funktionelle Struktur des Nervensystems zu ordnen. Diese Struktur bestand aus einer Dreiteilung: Rückenmark, verlängertes Mark und Pons (Brücke) bildeten zusammen den niedrigsten Teil und waren Sitz einfachster, reflexartiger Bewegungen. Die in der Mitte gelegene motorische Rinde steuerte komplexere Bewegungen. Der präfrontale Cortex war für willkürliche, komplizierte Bewegungen und höhere Funktionen wie Denken und Bewusstsein zuständig. Die hierarchisch höheren Teile überwachten die niedrigeren. Epilepsie war nach Jackson die Folge plötzlicher, exzessiver und schneller Entladungen des grauen Stoffes an der Oberfläche des Gehirns: Wenn diese Entladungen am präfrontalen Cortex auftraten, fielen nicht nur die dort gesteuerten Funktionen aus, wie die Aufrechterhaltung des Bewusstseins, sondern es wurden auch die niedrigeren Teile aktiv, die nicht länger blockiert waren. Jeder epileptische Anfall zeigte somit eine Kombination aus negativen Symptomen wie dem Ausfall von Funktionen und positiven Symptomen wie unwillkürlichen Muskelzuckungen.
Die Jackson-Epilepsie geht mit Entladungen auf mittlerem Niveau einher. Der Anfall beginnt häufig mit unwillkürlichen Zuckungen oder einem prickelndem Gefühl in einer Hand, meist in Daumen oder Zeigefinger. Während die Entladungen über die motorische Bahn des Cortex weiterziehen (>Jacksonian march<), entstehen auch in anderen Körperteilen Spasmen. Sie bleiben auf eine Körperhälfte beschränkt. Jackson schreibt, Autopsien hätten gezeigt, dass Epilepsie dieses Typs mit Schäden am Cortex der gegenüberliegenden Hirnhälfte einhergehe. 1863 publizierte er zum ersten Mal über die später nach ihm benannte Epilepsie.
Sieben Jahre danach bemerkten Fritsch und Hitzig, die Entdecker der motorischen Bahn, dass bei starker Reizung der Hirnoberfläche eines Hundes epilepsieartige Symptome auftraten. In England gelang es David Ferrier mit einem anderen Stromtyp, der durch einen Induktionsdraht geführt wurde, bei Affen spezifische Bewegungen hervorzurufen, die an Epilepsie erinnerten, wie Beißen, Grapschen oder Kratzen. Auf einem großen Teil der Cortexoberfläche waren offensichtlich die unterschiedlichsten motorischen Reaktionen projiziert. Ferrier betrachtete seine Ergebnisse als eine Bestätigung dessen, was Jackson aus klinischen Beobachtungen abgeleitet hatte, und widmete ihm 1876 sein Buch The functions of brain. 9 EEG-Studien haben später gezeigt, dass Epilepsie vom Jackson-Typ tatsächlich mit dem plötzlichen, spontanen >Feuern< eines Neuronenclusters in der motorischen
Bahn des Cortex beginnt und sich über benachbarte Gebiete ausbreitet.
DER »DREAMY STATE< VON DR. Z.
Jackson beschrieb ausführlich eine Variante der Epilepsie, die mit einem Zustand einhergeht, den er mit den Worten eines Patienten als >dreamy state< bezeichnete: 10 Bei einem bevorstehenden Anfall hat der Patient das Gefühl, in einen anderen Bewusstseinszustand zu geraten und diesem auch während des Anfalls nicht mehr zu entkommen. Den Ursprung siedelte Jackson im Temporallappen an. Für seine klinische Beschreibung stützte sich Jackson auf den Bericht eines Kollegen, den er seit 1877 wegen Epilepsie behandelt hatte. In seinen Artikeln nannte er ihn >Dr. Z.< n : er wurde später als Dr. Arthur Thomas Myers identifiziert, Arzt am Belgrave Hospital in London. 12 Myers entstammte einer angesehenen englischen Familie. Sein älterer Bruder Frederic war Mitbegründer der Society for Psychical Research (SPR), einer Gesellschaft für paranormale Forschung. Arthur Myers publizierte regelmäßig in den Proceedings der SPR.
Unter dem Pseudonym Quaerens hatte Dr. Z. bereits 1870 in einer kurzen Notiz mit Worten von Dichtern und Denkern seiner Zeit beschrieben, wie sich ein solcher >dreamy state< anfühlte. 13 Ten-nysons Gedicht »The two voices« entnahm er folgende
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