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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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geschätzten Kollegen sonst noch interessieren konnte. Fast ein halbes Jahrhundert sollte er für dieses Blatt schreiben.
    Ein Handbuch hat Jackson jedoch nie veröffentlicht - lieber publizierte er kurze Artikel und davon sehr viele. 3 Seine Bibliographie umfasst mehr als dreihundert Artikel, und sehr wahrscheinlich ist diese Liste unvollständig, denn Jackson schrieb zum überwiegenden Teil in kleinen, heute nur schwer aufzufindenden Zeitschriften. Sein Stil war umständlich und weitschweifig, darin sind sich Freunde und Feinde einig. Der Autor Jackson wurde kurz nach Beginn eines Satzes von einer neuen Assoziation überfallen und nahm diese sofort in Gedankenstrichen mit auf. Kurz nach Beginn des Einschubs hatte er eine neue Assoziation, die genauso unmittelbar einen Platz in Klammern erhielt. Damit waren die konventionellen Lesezeichen für die Einbettung von Sätzen erschöpft. Fiel ihm eine Assoziation ein, während er den eingeklammerten Satz innerhalb der Parenthese schrieb - und das war fast immer der Fall -, wurde diese in einer Fußnote verarbeitet. Aber kaum hatte er die Fußnote begonnen - kurz und gut, Jackson schrieb einmal an einen Freund, er fühle sich beim Schreiben, als müsse er gleich sechs Pferde auf einmal lenken, und mit ihm als Kutscher müsse man als Passagier Stoßgebete zum Himmel schicken, dass man sein Ziel sicher erreiche. 4
    Seine erste Stelle in einem Krankenhaus erhielt Jackson am Londoner Moorfields Eye Hospital, wo er eine lebenslängliche Leidenschaft für die Augenheilkunde entwickelte. 1851 führte er dort den von Helmholtz erfundenen Augenspiegel ein. Viele neurologische Leiden, konstatierte Jackson, waren in Abweichungen des Auges zu beobachten. 1863 kam er als Assistenzarzt in den Dienst des National Hospital for Nervous Diseases, mit einer Nebenanstellung im National Hospital for the Paralysed and Epi-leptic. Etwa um diese Zeit stellte er fest, dass es eine ganze Menge John Jacksons gab, und beschloss, fortan den Mädchennamen seiner Mutter als Zwischennamen zu führen. Zu seinen Aufgaben gehörten auch Hausbesuche, aber diese waren schnell beendet: Die Patienten schienen sich bei Jackson nicht wohl zu fühlen, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Er war scheu und reserviert in seiner Art und hat sich auch nie dazu durchringen können, sein Verhalten als Arzt am Krankenbett zu verfeinern. Namen behielt er nicht: Patienten blieben >der Mann hinter der Tür< oder >die Frau mit der Hammerzehe<. Wenn er seine Runde machte, ging er Patienten, für die er nichts tun konnte, lieber aus dem Weg, und vor psychiatrischen Patienten, so beobachtete ein Kollege, schien er sogar ein wenig Angst zu haben. 5
    1865 heiratete Jackson seine Kusine Elisabeth Dade Jackson. Er kannte sie schon von Kindesbeinen an, sie hatten nebeneinander gewohnt. Sie verstarb nach elfjähriger kinderloser Ehe. Jackson hat nicht wieder geheiratet. Auf >ihrem< Platz am Tisch hat nie wieder jemand anderes sitzen dürfen. Wenn sein Bruder mit seiner Familie bei Jackson zu Abend aß, mussten dieser, seine Frau und ihre Kinder an einer Seite des Tisches sitzen und Elisabeths Platz dabei frei lassen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Elisabeth an der Form von Epilepsie litt, die heute den Namen >Jackson-Epilepsie< trägt.
    DAS GEHIRN ALS BATTERIE
    In den Sechzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts nahm man an, dass Epilepsie durch eine Störung im Hirnstamm entstand. 6 Diese Störung brachte die Motorik durcheinander - im Volksmund hieß Epilepsie noch >Fallsucht< - und führte zu Bewusstseinsverlust und unwillkürlichen Muskelzuckungen. Ein Neurologe aus der Generation vor Jackson, Robert Bentley Todd, nahm an, dass das Gehirn mit einer elektrischen Batterie vergleichbar sei. 7 Epilepsie wäre dann die Folge einer plötzlichen Entladung, etwa so, wie Funken einer Leidener Flasche sprühten, wenn diese mit galvanischem Strom geladen war. Er hatte diese Theorie an lebenden Kaninchen getestet. Indem er Drähte in ihr Hirn steckte und diese kurz unter Strom setzte, konnte Todd exakt die Symptome epileptischer Anfälle hervorrufen: Zuckungen und rollende Augen. Jackson kannte zwar Todds Werk, aber möglicherweise ausgerechnet diese Untersuchung nicht. Wahrscheinlich hat er seine eigene Theorie über das Verhältnis zwischen elektrischen Entladungen im Gehirn und verschiedenen Epilepsietypen entwickelt, ohne von Todds Kaninchen gewusst zu haben.
    Aber auch mit seiner Beschreibung des Ablaufs eines epileptischen

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