Geister-Dämmerung
Phantom-Kommando zu kämpfen. Sir James persönlich stellte die Kombination des Schlosses nach Sukos Angaben ein und holte den Würfel vorsichtig hervor, als wäre er das kostbarste Gut auf der Welt. Und so weit war dieser Vergleich auch nicht hergeholt. Ein Tisch stand in der Nähe, ebenfalls zwei Stühle. Sir James stellte den Würfel auf die Platte.
Er sah völlig normal aus. Seine rotvioletten Flächen schimmerten wie gefärbtes Glas. Wer genauer hinschaute, konnte auch die schmalen Schlieren erkennen, die sich im Innern des Würfels befanden. Sie sahen aus wie weiße, in die Länge gezogene Flocken und enthielten ein Geheimnis, das bisher keiner gelüftet hatte.
Suko und John Sinclair gingen jedoch davon aus, dass sich in diesen Schlieren Informationen befanden und man sie praktisch als magische Chips bezeichnen konnte.
»Nehmen Sie schon«, sagte der Superintendent. »Danke.«
Behutsam nahm Suko den Würfel entgegen und verstaute ihn unter seiner Jacke.
Die beiden Männer verließen den Raum. Der Wachtposten, der hier unten Dienst tat, grüßte zackig. Er schielte auf den Würfel und dachte wohl daran, dass ein Kollege von ihm vor kurzem gestorben war, als es ebenfalls um den Würfel ging.
Die beiden Männer fuhren wieder nach oben. In der Halle hielt der Superintendent Suko noch zurück. »Kann ich vielleicht irgend etwas tun?«
»Ja, Sir. Drücken Sie mir und John die Daumen. Vor allen Dingen John, dass er überlebt hat.«
»Sie meinen tatsächlich, dass es auch anders gewesen sein könnte?«
»Ja.«
»Ich höre wieder von Ihnen.«
»Das hoffe ich.« Suko hatte die Antwort mit sehr ernster Stimme gegeben. Seine Mundwinkel zuckten. Er wandte sich hastig um. Sir James sollte nicht sehen, welche Sorgen ihn quälten. Auf dem kleinen Hof empfing ihn wieder der feuchte Nebel. Bei jedem Atemzug hatte Suko das Gefühl eine Flüssigkeit einzuatmen. Der Würfel blieb unter seiner Jacke. Leider war es kein Zaubergegenstand, der es durch seine Kraft ermöglichte, sich an irgendeinen Ort der Welt zu wünschen. Suko musste die Horrortour durch den Nebel schon ein zweites Mal unternehmen. Und wieder stieß er in die graue wallende Suppe hinein, die alles Leben unter sich vergraben wollte. Er verglich es mit einem Blindflug, als er sich auf seiner Harley durch die Watte tastete. Zum Glück herrschte wenig Verkehr. London glich bereits einer Geisterstadt. Das gesamte Leben war eingeschlafen. Auch die Geräusche wurden zum großen Teil verschluckt, so dass der Sound der Harley einen anderen Ton angenommen hatte.
Als Suko die Vauxhall Bridge erreichte, atmete er zum erstenmal auf. Ober die Hälfte der Strecke hatte er ohne Unfall zurückgelegt. Jetzt ging es an den Rest.
Auch die brachte Suko hinter sich, wenn auch einmal mit einem waghalsigen Ausweichmanöver, als aus einer Seitenstraße ein Ungeheuer auftauchte, das verwaschene Augen besaß. Das Ungeheuer stellte sich als normaler Lastwagen heraus, der ohne Rücksicht gelenkt wurde. Suko konnte ihm mit einer waghalsigen Schleife entkommen. Und die Zeit drängte.
Je mehr er sich seinem Ziel näherte, um so größer wurde das Gefühl der Beklemmung und der Angst. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass alles glatt gelaufen war. Zudem quälten ihn Vorwürfe, das Falsche getan zu haben. Jetzt ging er davon aus, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, die Peitsche einzusetzen, statt soviel Zeit zu verlieren. Es war nicht mehr zu ändern.
Wieder musste Suko suchen, obwohl er die Strecke schon einmal gefahren war. Aber diesmal nahm die Sucherei nicht soviel Zeit in Anspruch. Er fand seinem Parkplatz schon nach kurzer Suche. Kaum hatte Suko die Maschine aufgebockt und den Helm abgenommen, hörte er bereits die Stimmen. Sie klangen aus der Richtung, in die er musste, und das Gefühl, dass etwas geschehen war, verstärkte sich bei ihm. Um seine Brust legte sich der unsichtbare Reif der Furcht. Er beeilte sich so sehr, als könnte er noch etwas retten.
Der Nebel war auch hier so dicht, dass er die vor den Häusern stehenden Menschen erst im letzten Augenblick erkannte. Auch dann sah er sie nur als Schatten.
Suko sprach den ersten an. Es war ein älterer Mann, der einen langen Mantel über seinen Schlafanzug gestreift hatte und eine Lampe in der Hand trug. »Was ist denn geschehen?«
Der Mann drehte sich um und leuchtete Suko an. »Da ist ein Haus zusammengekracht.«
Suko holte tief Luft. Trotz des Nebels hatte der andere gesehen, wie bleich der Inspektor
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