Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt...
Tag 1, Köln – Weilerswist 31,5 km
Erstes Etappenziel erreicht, aber völlig platt. Der Rü cken schmerzt und die Füße sind dick geschwollen, immerhin blasenfrei. Hätte nicht gedacht, dass sich gut 30 km, speziell zum Schluss, so ziehen können. Wenn das Sprichwort stimmt, dass der erste Schritt der schwerste ist, dann müsste die heutige ja bereits meine schwerste Etappe gewesen sein. Schön wär’s... .
Aber erst mal der Reihe nach. Der Tag begann mit Aufstehen um 5:00 Uhr. Nachdem ich in den letzten Tagen seltsam cool war und wenig Aufregung an den Tag gelegt habe, dämmerte mir nun langsam, dass ich für die nächsten ca. 3 Monate zum letzten Mal aus meinem eigenen Bett aufgestanden bin und fortan morgens nicht mehr weiß, wo ich als nächstes schlafen werde. Wiebke erschien mir ähnlich melancholisch. Wir waren beide mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt und redeten nicht viel. In einem kurzen Anflug dachte ich kurz darüber nach, ob ich nicht doch noch ein paar Tage warten, mir mit Wiebke ein schönes Wochenende machen solle, schließlich war herrlichstes Frühlingswetter vorhergesagt. Bevor ich jedoch diesen Gedanken weiter führte, rief ich mich innerlich zur Disziplin auf. Ich war es schließlich selbst, der die Idee hatte, den langen Weg von Köln nach Santiago zu wandern. Jede Form des Hinauszögerns wäre nichts weiter als ein billiges Alibi gewesen - und am Ende hätte ich womöglich noch einen Grund gefunden, gar nicht loszugehen. Nein, so nicht! Ganz klar, an der Geschichte mit dem ersten Schritt ist was dran, dachte ich in diesem Moment.
Um 6:00 Uhr ging‘s dann los. Der Rucksack war längst gepackt, die Wasserflasche erstmals gefüllt und der Pilgerstab lag ebenfalls parat. Noch rund eine Stunde Autofahrt bis Köln. Unsere gedrückte Stimmung hielt auch während der Fahrt an, wir wussten beide nicht, über was wir uns unterhalten sollten. Draußen war es noch kühl
und diesig.
7:15 Uhr, Domplatte: Auf die Schnelle haben wir ein paar Fotos geschossen, Wiebke hatte es eilig, für sie war es heute ein ganz normaler Arbeitstag. Dadurch fiel die Verabschiedung wohltuend kurz aus. Eine letzte Umarmung, feuchte Augen, dann fuhr Wiebke davon. Es zerriss mir fast das Herz, als sie mit ihrem Auto aus meinem Blickfeld verschwand. Sie wird mir fehlen! Ich brauchte einen Moment, um mich zu bekrabbeln. Durch die prallvolle Bahnhofspassage gelangte ich zum Dom. Der Rucksack war schwer und mit meinem Pilgerstab wusste ich noch gar nichts anzufangen. Ich fühlte mich verloren zwischen den vielen Menschen, die eiligen Schrittes bemüht waren, ihren Zug nicht zu verpassen.
Die Stille im Dom tat gut. Ich weiß nicht, wie oft ich schon in Köln war, aber noch nie habe ich den Dom so bewusst auf mich wirken lassen wie heute. Eher unkonventionell habe ich um Kraft und Gesundheit gebeten, 3 Kerzen entzündet, um anschließend noch etwas zu verweilen, damit mein aufgewühlter Geist zur Ruhe kommen konnte. Um Punkt 8 Uhr war ich bereit, den ersten Schritt zu tun. Ein Stempel für den Pilgerausweis war nicht zu bekommen, das Domforum hatte noch geschlossen. Egal, loskommen war erst mal wichtiger. Über den Roncalliplatz und die noch „schlafende“ Hohe Straße ging ich meine ersten Meter, in meinem Kopf tobte derweil ein Orkan wirrer Gedanken, die sich nicht ordnen lassen wollten. Zweifel waren darunter, ebenso Unsicherheit und so etwas wie Angst. Wovor? Keine Ahnung! Dazu gesellte sich immer wieder die Frage: Warum tue ich das eigentlich? Auf eine überzeugende Antwort werde ich wohl noch etwas warten müssen… . Immerhin ging eine gehörige Portion Entschlossenheit mit. Die werde ich auch weiter benötigen, will ich die über 2.000 km lange Strecke wirklich schaffen. 2.000 km, ich denke besser nicht weiter darüber nach, sonst geht die Entschlossenheit ganz schnell wieder flöten… .
Ich konzentrierte mich darauf, möglichst schnell aus Köln rauszukommen. Der morgendliche Berufsverkehr und zahlreiche Baustellen sorgten für mächtig Lärm und Gestank. Dank zahlreicher ortskundiger Passanten befand ich mich bald auf dem Weg Richtung Sülz und Klettenberg, wo ich in einem kleinen Park erstmals das Symbol des Jakobsweges, die stilisierte gelbe Muschel auf blauem Grund, sah. Was soll ich sagen, ich hatte plötzlich auf wundersame Weise ein richtig gutes Gefühl. Es war nur ein simpler Aufkleber, aber in
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