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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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werde ich sie mitnehmen. Wenn ich gehe.” Sie strich mit der Hand ihre Haare zurück und seufzte. „Könnte nicht schaden, ein freundliches Gesicht dabeizuhaben.”
    Haupt ging mit ihr zur Tür. „Rechne nicht zu sehr mit dem freundlich … ich fürchte, es wird ihr nicht sonderlich gefallen, daß sie wieder einmal von ihrer Mutter manipuliert wird.”
    Aleytys lachte und berührte Haupts Schulter. „Warum bin ich nicht in ein ruhigeres Leben hineingeboren worden?”
    „Weil du vor Langeweile sterben würdest, noch bevor das Jahr vergangen wäre.”
    Lilit
    In wenig mehr als zwei Wochen werde ich meinen Vater umbringen.
    Tinte wie schwarzer Samt, eng gesetzte Zeilen, kräftige Abstriche, ein starker Kontrast zu dem zarten Elfenbein des Papiers. Lilit belächelte das, was sie geschrieben hatte, da sie den dramatischen Fluß der Handschrift, das Drama der Worte mochte. Sie wischte sich die Haare aus den Augen, warf deren Masse von den Schultern zurück und tauchte die uralte Schreibfeder in die Tinte, die Acthon aus Harz und Lampenruß für sie gemacht hatte.
    Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich angefangen habe, meinen Vater zu hassen. Nicht zu fürchten, nein. Das habe ich mit meiner Muttermilch eingesogen. Milch. Das war alles, was ich von ihr bekommen habe, und auch nur widerwillig, da ich ihre siebte Tochter war, während sie verzweifelt einen Sohn benötigte. Sie war nicht ganz fünfundzwanzig, als ich geboren wurde, und sie unternahm heroische Anstrengungen, um das Interesse meines Vaters nicht zu verlieren - so jedenfalls wurde mir viel später gesagt.
    In ihrer Enttäuschung war sie nahe daran, mich umzubringen.
    Meine Schwestern sorgten dafür, daß ich dies erfuhr, sobald ich weit genug herangewachsen war, um verstehen zu können, was es bedeutete. Ich glaube, sie waren genauso ärgerlich auf mich, wie sie es war- weil ich mich als Mädchen herausgestellt hatte, meine ich. Ein Bruder hätte ihnen einen gewissen gesellschaftlichen Status gegeben. Eigentlich habe ich meine Mutter niemals richtig gekannt, kann mich nur an wenig über sie erinnern, obwohl ich fast zwei Jahre alt war, als sie bei dem Versuch starb, ein weiteres Baby zur Welt zu bringen. Das Kind ist ebenfalls gestorben, doch niemand hat es betrauert - eine weitere Tochter.
    Lilit starrte auf das, was sie geschrieben hatte. Sie legte die Schreibfeder in den engen Kniff zwischen den Seiten des Buches, schob den Stuhl zurück und durchquerte den Raum. Der Pelz am unteren Saum ihres langen, schwarzen Gewandes streifte sanft ihre Knöchel, die Seide schmiegte sich angenehm gegen die bloße Haut. Sie fühlte sich ein wenig wie einer der Geister, die sie heimsuchten, als sich ihre unbeschuhten Füße ohne den geringsten Laut über den dicken Teppich bewegten, ging zum Fenster hinüber und schob den hauchdünnen Vorhang beiseite. Dann hielt sie den schenkellangen Schwung pechschwarzer Haare zurück, ließ sich auf dem Fenstersitz nieder, preßte ihr Gesicht gegen das Glas und spähte hungrig durch das Flackern des Energiedomes hinaus, der den Besitz vor der gefährlichen Luft von Liros II schützte. Die Sonne stand tief im Westen, ihr Licht wurde von den schweren Wolken fast verschluckt.
    Die Farben waren gedämpfter als sonst, der struppige rote Feuerbusch lag wie Velours auf sanft gewellten Hügeln, die sich zu der zerklüfteten, öden Kette der Draghastils erstreckten - durchzogen von Chalouri-Reihen, welche in der Ferne schwarz und näher bei der Burg von kräftigem, tiefem Purpur waren; fleischige Stengel und haarfeines Blattwerk hingen schlaff hernieder. Nichts bewegte sich selbst im Innern der Burg konnte sie die Stille spüren, und das Gefühl des Wartens wurde beinahe unerträglich, obwohl dies möglicherweise zu einem Teil aus ihrer momentanen Stimmung genährt wurde.
    Sie schaute über die Außenmauer hinweg und auf die Siedlung jenseits des trägen Flusses. Kinder rannten umher, verschwanden in den gedrungenen Häusern und eilten wieder daraus hervor. Diese Häuser waren aus porösen Schlammziegeln und den Blattspreiten von Erdlilien-Wülsten gebaut, ein dunkles Graubraun, im Halblicht dunkler und eintöniger denn je. Einige Frauen waren am Brunnen versammelt. Sie standen beieinander und redeten, ihre Wasserkrüge mit einer Hand auf der Mauerkrone des Brunnens gehalten, während die andere mit stakkatohafter Ungeduld gestikulierte. Der Sinn und Zweck dieses Brunnens war ihr von ihrem Vater erklärt worden, als sie ihn

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