Geisterstunde in Los Angeles
Streifen nicht der Fall. Wer hier mitspielte, der wollte erst nach oben kommen. Man arbeitete diszipliniert, und Lamotte konnte sogar die Pausen einhalten, wie an diesem Tag, als er zur Mittagspause rufen ließ.
»Zwei Stunden Pause!« brüllte er durch das Megaphon, »weil alles so gut gelaufen ist.«
Er hörte einige Jubelschreie und erhob sich ächzend von seinem Regiestuhl. Das Ding wurde immer unbequemer. Er spürte es bereits im Rücken und dachte wieder einmal darüber nach, in Rente zu gehen, aber so etwas konnte er nicht. Er brauchte den Film, die Studios, die oftmals verrückten Stars, die Hektik, den Geruch von Schminke und die Hitze der Scheinwerfer.
Vor ihm lag der Drehort. Aus dem künstlichen Dschungel drangen Nebelschwaden. Man hatte für alles gesorgt. Sogar dressierte Tiere waren geholt worden.
Aus dem Lianengestrüpp erschien Rita Lane, die weibliche Hauptdarstellerin. Sie war verschwitzt, schmutzig und dennoch sexy, denn ihre Kleidung war genau an den Stellen zerrissen worden, wo Männer es gern hatten. Man wollte den Zuschauern ja etwas bieten. Rita fuhr durch ihr langes Haar. »Kann ich jetzt duschen, Abel?«
»Nein!«
»Wieso nicht? Ich…«
»Weil wir am Nachmittag weiterdrehen. Dann kannst du ja nicht plötzlich anders aussehen.«
»Schon gut, schon gut.« Müde winkte sie ab und ging zu den Garderobenräumen.
Lamotte grinste hinter ihr her. Die Kleine war noch zu formen. Wenn sie einmal Erfolg hatte, mußte man vorsichtiger sein. So gehorchte sie noch. Auch er wollte in seine Garderobe gehen. Abel Lamotte war ein grauhaariger, etwas verbraucht wirkender Lebemann. Auf dem Weg wurde er von zwei Statistinnen angesprochen, die nach einem Job fragten, doch der Regisseur winkte nur ab.
»Mr. Lamotte, wollen Sie sich nicht wenigstens unsere Namen notieren. Bitte.«
»Später vielleicht.«
»Ja, danke.«
So hatte er die Mädchen schon vor zwanzig Jahren abgewimmelt. Die Zeiten konnten sich zwar ändern, gewisse Dinge aber blieben immer gleich. Er sah noch seinen Regieassistenten, der mit zwei Schauspielerinnen in Richtung Kantine verschwand. In der Garderobe, einem kleinen stickigen Raum, legte sich Lamotte auf die alte Ledercouch. Die Dreharbeiten hatten ihn gestreßt, jetzt tat die Ruhe gut. Seine Beine lagen höher. Von dem Platz aus konnte er die schmale Garderobentür sehen. Sie war hellgrau gestrichen und bestand aus Metall.
Neben dem Bett standen noch ein Schreibtisch und zwei Stühle im Raum. Auch ein Telefon war vorhanden. Der Apparat leuchtete rot wie dunkles Blut. Lamotte hatte den Streifen innerlich bereits abgehakt. Er dachte an den nächsten Film. Noch waren die Verträge nicht unterschrieben, und er wußte auch nicht, ob er in dieses Projekt einsteigen sollte. Es war die Idee eines Newcomers, der ins Filmgeschäft einsteigen wollte. Und er hatte dem Regisseur erklärt, daß er mehr Macht besaß als sämtliche Hollywood-Mogule zusammen. Man übertrieb eben gern. Dennoch hatte dieser Mann eine Ausstrahlung besessen, die Lamotte fürchten ließ. Er hatte natürlich nicht nachgefragt, aber das unheimliche Gefühl war eben geblieben.
In den letzten Minuten hatte er aus den nebenan liegenden Garderobenräumen noch Lärm und Stimmen vernommen. Im Laufe der Zeit legte sich dies, die meisten Akteure verschwanden ins Freie. Ruhe kehrte ein.
Wie von selbst fielen dem Regisseur die Augen zu. Abel Lamotte besaß zudem die Gabe, zu einer bestimmten Zeit zu erwachen. Er hatte sich noch nie verschlafen.
Wenn schon Pause, dann war ihm diese Mittagsruhe heilig. Und wehe, er wurde gestört. Giftiger konnte wohl kein Mensch auf dem gesamten Erdball werden.
Das interessierte den Anrufer nicht, der etwas von Abel Lamotte wünschte. Er klingelte in seiner Garderobe an, und der Regisseur fuhr mit einem Schrei der Wut auf den Lippen in die Höhe. Für ihn war es eine Unverschämtheit. Er starrte den Apparat an, spürte den plötzlichen Schwindel, weil sich das Blut im Kopf staute, und mußte tatsächlich aufstehen, um den Hörer abzunehmen.
»Ja, verdammt, was…«
»Regen Sie sich nicht auf, Lamotte, und hören Sie mir lieber genau zu!«
Abel umklammerte den Hörer so hart, als wäre er ein Stück Eisen.
»Verdammt, Sie sind es!«
»Ja, ich, Lamotte. Haben Sie sich entschieden? Nehmen Sie mein Angebot an?«
»Nein!«
Der Anrufer schnaubte. »Hatte ich mich verhört, Mr. Lamotte?«
»Das haben Sie nicht, Meister. Ich bin nicht bereit, für Sie zu arbeiten. Sie mögen Ideen und Geld
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