Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
sich ein herzliches Lächeln breit
machte. Aber es machte sich nichts darin breit. So sehr sich auch
Nicola bemühte, diesen Menschen hochkonzentriert und
scharfsinnig zu beobachten. Wahrscheinlich musste die
Anstaltsleiterin dies bemerkt haben, denn sie ging auf eine Schwester
zu, schwankte mit dem Kopf zu Nicola, der zu diesem Zeitpunkt in
einer Ecke des breiten Flures stand und sie beobachtete, wie sie mit
der Schwester sprach. Daraufhin eilte die Schwester in das Arztzimmer
und entschwand endgültig am Ende des breiten Flures. Zum
Nachmittagskaffee wurden die gewohnten Tabletten verabreicht und
Nicola bemerkte nach der Einnahme, dass etwas daran verändert
wurde in seiner Medikation, da er nur noch verschwommen, fast
schleierhaft seine Umwelt wahrnehmen konnte. Dass musste die
Frau-Mann Gestalt gewesen sein. Sie musste sich von Nicola
durchschaut gefühlt haben und um dies abzuwenden, gab sie die
Anordnung ihn benebelt in die Welt schauen zu lassen. Vielleicht
sogar beabsichtigte sie ihn zu erblinden. Nicola saß nun
aufrecht in seinem Bett und nahm sich vor, diesen Menschen
insbesondere zu beachten und vor ihm äußerst auf der Hut
sich zu begeben. Es ist Nachmittag und einmal wieder Zeit für
den Stuhlkreis. Nicola sitzt mit einigen anderen im Kreis und der
Fixpunkt seines momentanen Daseins ebenso. Er beobachtet die
Frau-Mann Gestalt aus dem hintersten Augenwinkel, ohne sie direkt
anzuschauen. So versucht er ihren Standpunkt und ihre Haltung
gegenüber ihm auszumachen. Nicola wiegt sich im Vorteil. Er
macht zwar die angegebenen Übungen mit, schwingt seine Arme im
vorgegebenen Takt, bewegt seine Füße im vorgegebenen
Rhythmus. Unter keinen Umständen möchte er, dass die
Anstaltsleiterin hinter seinem Vorteil zu blicken vermag. Nicola
fragt sich, was in dieser Gestalt vor sich gehen mag, während
sie Vorgaben ausspricht und stets gegen Widerstand gewappnet zu sein
scheint. Hat sie ein Privatleben, geht die Gestalt auch anderen
Hobbys nach oder hat sie sich zur Lebensaufgabe gemacht, anderen
Menschen gegenüber verachtend und überlegen gegenüber
zu treten? Nicola glaubt, dieser Mensch geht keinem anderen Hobby
nach, denn sie ist irgendwie Tag ein und Tag aus hier in der Anstalt
vertreten. Sie wohnt ja hier. Vielleicht war sie selbst einmal
Patient und hat sich durch viele Aufgaben hinweg zur Leitung
hochgearbeitet. Vielleicht ist sogar ihr psychisches Handicap bis
heute nicht geheilt und überspielt dies nur durch ihre Härte
und ihrem Angsteinflößen anderer gegenüber.
Vielleicht ist ihr auch ein Lächeln zu entlocken, wenn er
anfängt sie anzulächeln. Nicola wägt einen passenden
Moment ab und als ihr Blick auf ihn trifft, lächelt Nicola sie
an. Irgendwie scheint es nicht den Effekt zu haben, den sich Nicola
vorgestellt hat, aber zumindest fällt jetzt öfters ihr
Blick auf ihn, wobei er auf die Schnelle ein Lächeln zustande
bekommt und sie für etliche Sekunden angrinst. Nicola glaubt
fürs Erste einiges erreicht zu haben bezüglich seiner
Analyse hinsichtlich dieser Person. Er nimmt sich vor, dies jeden Tag
einzuhalten, um so sich bei ihr einzuschleichen und Herr ihres
Gefühlslebens zu werden. Leila darf natürlich nicht
vergessen werden, aber so ist er auf dem richtigen Wege sich mit der
Anstaltsleiterin zu sympathisieren und auf ein gemeinsames Treffen
mit seiner Leila zu bestehen, denn bis jetzt wurde genau darauf
geachtet, ihn und seine Frau nicht zusammen zu bringen, bis dass
einiges geklärt ist und sich heraus kristallisiert hat. Und so
gesehen ist Nicola auf dem besten Wege seine Angst vor dieser Gestalt
zu bekämpfen, indem er sich in die Angst direkt hineinsetzt und
sie dadurch überwindet. Die Tage vergehen und Nicola wird zu
einem Einzelgespräch mit der Leiterin gebeten. Nicola wiegt sich
in Stolz mit der Sympathisierung vorangekommen zu sein und tritt in
das Zimmer. Die Anstaltsleiterin sitzt da und hebt ihren Kopf nicht
weg von ihren Unterlagen, die sich auf ihrem Schoss befinden. Nicola
wartet, bis sie ihn bittet auf dem Stuhl vor ihr Platz zu nehmen.
Aber sie sagt nichts und starrt weiterhin konzentriert auf die
Papiere. Nicola überlegt. Er spürt seine Unsicherheit
aufkommen und versucht sie zu vertreiben, indem er hüstelt. Aber
während er sich seiner Angst vor dem Ungewissen mehr und mehr
bewusst wird, umso schwieriger wird es ihm einen kühlen Kopf zu
behalten. Er blickt zurück, als ob sich ihm hinter seinem Rücken
eine Hilfe anboten würde. Er entdeckt die Tür, die
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