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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Reifen aufpumpen und so.« Er sah mich an. »Mir gefällt unser neues Haus, Papa. Sally gefällt es auch. Mach dir also wegen uns keine Sorgen.«
»Ich gehe zuerst«, sagte ich. Dann zog ich ihn mit Schwung zu mir herüber. Er war schwer, verdammt schwer. Die Zeiten, da er noch auf meinen Schultern reiten konnte, waren unwiderruflich vorbei.
Nun reichte er mir die Hand, denn das steile, glitschige Ufer hatte er vor mir erklettert. »Neulich habe ich Großvater gesehen«, sagte er.
»Großvater?«
»Er hat ein neues Auto, einen Bentley Turbo, dunkelblau. Er kam zur Schule.«
»Hast du mit ihm gesprochen?«
»Er hat uns nach Hause gefahren.«
»Ich dachte, das Mädchen sollte euch abholen.«
»Die war auch da.«
»Wir hätten ihn schon längst mal besuchen sollen.«
»Er sagte, wir könnten mit ihm in die Ferien fahren. Er fährt in die Türkei. Vielleicht mit dem Auto, die ganze Strecke.«
»Großvater? Du bindest mir keinen Bären auf. Billy?«
»Dürfen wir mitfahren, Papa? Vielleicht nimmt er den Bentley?«
»Hast du das Tante Gloria schon erzählt?«
Billy sah schuldbewusst drein. Er senkte den Blick auf die schmutzigen Stiefel und sagte leise: »Sie hat gesagt, ich soll dir nichts davon sagen. Sie sagte, du würdest dir Sorgen machen.«
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Ich muss mir das noch ein wenig überlegen. Vielleicht werde ich die Sache noch mal mit Großvater besprechen.«
»Danke, Papa. Danke, danke!« Billy umarmte mich und fuhr fort: »Glaubst du, dass ich vorne neben Großvater sitzen darf?«
»Der Weg in die Türkei ist weit«, sagte ich.
»Da ist Sally mit Tante Gloria«, rief er. »Die beiden haben es auch über den Bach geschafft.«
Es ging also wieder los. Wenn er die Kinder nur auf eine Ferienreise mitnehmen wollte, warum hatte Fionas Vater den Vorschlag nicht erst mal mir gemacht? Und in die Türkei. Nur einen Katzensprung von der Sowjetunion entfernt. Die Vorstellung, dass meine Kinder mit meinem Schwiegervater, der sich in alles einmischen musste, dort Ferien machten, erfüllte mich mit Schrecken.
Billys Erzählung warf zwar einen Schatten auf unser Idyll, aber Schuld daran, dass der Ärger für mich richtig wieder anfing, hatte schließlich Dodo, der verdammte alte Narr. Als ich ihm in Frankreich zuerst begegnet war, hatte er mir den Eindruck eines liebenswürdigen Sonderlings gemacht, eines sehr gebildeten alten Herrn, der gelegentlich zuviel trank. Jetzt sollte ich den boshaften, selbstherrlichen, streitsüchtigen alten Säufer kennenlernen, der er wirklich war.
Obwohl ich das nicht beweisen könnte, bin ich doch überzeugt, dass Glorias Mutter ihn in Frankreich angerufen, ihm ihr Herz ausgeschüttet und ihm wegen der Vernachlässigung seitens ihres Mannes ihr Leid geklagt hatte. Gloria sagte, dass in irgendeiner nicht näher definierten Vergangenheit der alte Mann ihre Mutter sehr gern gehabt habe. In London versicherte dann aber Dodo jedem, den er traf, er sei »in Geschäften« dort. Was auch der Grund war, jedenfalls erschien Dodo plötzlich in London, herausgeputzt, in einem alten, aber wunderbar geschnittenen Glen-UrquhartAnzug, und während der ersten Woche seines Besuches bewohnte er im Ritz ein Zimmer mit Aussicht über den Park.
Natürlich hatte er Beziehungen in London. Nicht nur zu ungarischen Emigranten und alten Bekannten aus seiner Wiener Zeit, sondern auch zu Leuten im Department. Dodo war schließlich einer von den »Preußen« des Langen gewesen, und für manche Leute war das eine unvergleichliche Empfehlung. Er hatte überdies eine nicht näher bekannte Rolle in dem Budapester Agentennetz gespielt, dem auch Glorias Vater angehört hatte, ehe er sich in den Westen absetzte. Und natürlich war Dodo ein Mann, der seine Beziehungen pflegte, und so führten ihn denn wiederholt »alte Kameraden« aus dem Schatzamt und dem Außenministerium zum Lunch in den Reform Club oder zu den Travellers.
Er ging gern auf Partys. Er ging auf Botschaftspartys, auf Partys des Showbiz, der sogenannten feinen Gesellschaft und auf Literatenpartys. Wieviel Zeit er bei Glorias Eltern zubrachte und ob, wenn er bei ihnen war, von mir gesprochen wurde und von meiner mutmaßlichen beruflichen Tätigkeit, weiß ich bis auf den heutigen Tag nicht. Doch als ich ihm wieder begegnete, war er beunruhigend gut informiert über mich.
Dodos Einladung auf ein Glas »mit Freunden – am Donnerstag zwischen sechs und acht Uhr abends oder solange es eben dauert« in ein Haus mit sehr vornehmer Adresse, und

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