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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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gestartet. Nach der gemeinsamen Fahrt mit Buddy Breukink erkannte ich seinen Stil sofort. Einmal, zweimal, dreimal ließ er den Motor aufheulen. Mrs. O’Raffety sah mit gequälter Miene zum Himmel auf. Man brauchte nicht allzu viel Phantasie, um in so ziemlich allem, was Buddy tat, unterdrückte Wut zu erkennen.
    »Sie haben sich über die Erziehung meines kleinen Enkels Peter gestritten.« Sie brauchte mir nicht zu sagen, von wem die Rede war. »Buddy hat da seine eigenen Vorstellungen, aber meine Tochter will, dass er im jüdischen Glauben erzogen wird.« Sie trank einen Schluck Eistee.
    Ich war vollauf beschäftigt mit dem kunstvoll arrangierten Hummersalat, den man mir hingestellt hatte. Alle Gemüsesorten, die sich als Salat servieren lassen – vom Shiitakipilz bis zur Lotoswurzel –, waren zu einer dekorativen jardinière rings um ein halbes Dutzend junger Hummerschwänzchen in einer üppigen Mayonnaise drapiert. Auf einem rosa Extrateller lag eine heiße gebackene Kartoffel, mit saurer Sahne begossen und kleinen Stückchen knusprigem Bacon garniert. Die Salate in Kalifornien sind nicht für die schlanke Linie kreiert. Mrs. O’Raffety sah mich prüfend an. Sie wartete, bis ich nickte.
    »Es geht hier nur um die weibliche Linie«, erklärte sie und versuchte ein Radieschen aufzuspießen, das aber davonrollte und entkam. »Meine Mutter war Jüdin, also bin ich Jüdin. Deshalb ist meine Tochter Jüdin und ihr Sohn auch. Buddy scheint das einfach nicht zu begreifen.«
    »Vielleicht«, erlaubte ich mir zu vermuten, »war er nicht darauf gefasst, dass eine Schwiegermutter mit irischem Familiennamen so viel jüdischen Familiensinn vererbt hat.«
    Sie musterte mich mit dem strengen Gesichtsausdruck, der mir beim Schwimmen schon an ihr aufgefallen war. Ihre Augen waren von eisigem Blau. »Das kann schon sein«, sagte sie. »Verstehen Sie mich recht, ich sehe das nicht so eng. Wir essen zum Beispiel nicht koscher. Mit mexikanischen Küchenangestellten geht das gar nicht.«
    »Und wo ist Ihr kleiner Enkel jetzt?«
»In Florida. Vorige Woche hat sich Buddy zum Lunch mit einem Privatdetektiv getroffen. Ich habe Angst, dass er einen Plan ausheckt, um das Kind wegzuholen.«
»Eine Entführung?«
»Buddy wird leicht emotional.«
»Aber er ist doch Rechtsanwalt.«
»Selbst Rechtsanwälte werden manchmal emotional«, sagte sie. Damit war das Thema für sie beendet, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie Buddys Gefühle völlig verdammte. Als das Geräusch des sich entfernenden Motors verklang, kehrte sie zur Erörterung ihrer europäischen Wurzeln zurück. »Ich bin in Berlin geboren«, sagte sie. »Und ich habe noch heute Verwandte da. Vielleicht werde ich die eines Tages mal ausfindig machen. Allerdings sage ich mir auch: Wer braucht noch mehr Verwandte?« Sie spielte mit einem Päckchen Marlboro und einem goldenen Feuerzeug, als kämpfte sie gegen die Versuchung.
»Sie kamen als Kind hierher?«
Sie nickte. »Von der Sprache ist nichts hängengeblieben. Vor ein paar Jahren habe ich angefangen, Deutschunterricht zu nehmen, aber es war hoffnungslos. Allein diese unregelmäßigen Verben … Grauenhaft.« Sie lachte. »Noch Wein?«
»Danke.«
Sie nahm die Flasche aus dem Eiskübel. »Der ist vom Gut eines Freundes, ganz hier in der Nähe. Sein Chablis ist ausgezeichnet, der Rosé ist gut – wunderbare Farbe –, nur der Rote ist irgendwie enttäuschend. Da halte ich mich lieber an die französischen.« Sie goß den Rest aus der Flasche in mein Glas. Jeder Weißwein war für sie ein Chablis; in Kalifornien ist das anscheinend üblich. »Und Sie, Mrs. O’Raffety?« fragte ich. Sie hatte mir nicht angeboten, sie mit dem Vornamen anzureden, und da sogar ihr Schwiegersohn sie Mrs. O’Raffety nannte, musste es ihr gefallen. Vermutlich hatte sie das Recht, diesen Namen zu tragen, teuer genug bezahlt.
»Ich nehme immer nur ein halbes Glas. Chablis ist nicht gut für die Gelenke, wissen Sie, der Säuregehalt …«
»Das wusste ich nicht.«
Sie hatte sich an der Weinflasche aus dem Eiskübel die Finger naß gemacht. Sorgfältig trocknete sie diese jetzt an einem rosa Handtuch, ehe sie von neuem mit der Zigarettenschachtel zu spielen begann. »Mit Ihnen kann man gut reden«, sagte sie und betrachtete mich mit halb zugekniffenen Augen, als könnte sie in meiner Erscheinung eine Erklärung dafür finden. »Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt? Gute Zuhörer sind gar nicht so häufig. Sie hören zu, zeigen aber keine Neugier. Ich

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