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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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irrsinnig verliebt in ihn. Ich nehme an, ich habe immer damit gerechnet, dass wir heiraten würden. Dann zog er eines Tages in die Stadt, und ich hörte, dass er zur Marine gegangen war. Ich wartete auf ihn. Ich wartete und wartete. Doch als der Krieg zu Ende war, kam er nicht zurück.«
»Kam nicht zurück?«
»Nicht hierher. London, Berlin. Ich bekam Briefe und Postkarten von ihm. Manchmal sogar lange Briefe, aber nie stand das eine drin, was ich lesen wollte.«
Ich begann, meinen Kuchen zu essen.
»Sie haben sicherlich nicht damit gerechnet, dass Sie sich hier die Geständnisse einer alten Dame anhören müssen. Ich weiß auch gar nicht, warum ich überhaupt damit angefangen habe. Wahrscheinlich, weil Sie Bret von früher kennen. Die einzige andere gemeinsame Bekanntschaft von Bret und mir ist diese Schlampe, seine Frau.«
»Sie kennen sie also?« Vorher hatte sie so abstrakt von ihr gesprochen, als existiere sie nur als Verschwenderin von Brets Geld.
»Nikki? Natürlich kenne ich sie. Wie diese Ehe ausgehen würde, habe ich von Anfang an gewusst. Von dem Augenblick an, in dem sie mir erzählte, dass sie ihn heiraten würde. Manchmal denke ich, sie hat ihn sich nur geangelt, weil sie wusste, wie sehr sie mich damit treffen würde.«
»Ist sie aus der Gegend hier?«
»Nikki Foster? Ihre Leute hatten ein Schuhgeschäft in Santa Barbara. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Sie ist schon immer eine kleine Schlampe gewesen.«
»Wie lange hat die Ehe gedauert?«
»Acht elende lange Jahre haben sie zusammengelebt, denke ich. Mit Bret habe ich nie davon gesprochen, und er erwähnt nie auch nur ihren Namen.«
»Er hatte doch auch einen Bruder.«
»Sheldon.« Sie ließ ein rätselhaftes kleines Lachen hören. »Sind Sie ihm je begegnet?«
»Nein«, sagte ich.
»Großer Mann in Washington, D. C. Ein ganz großer Mann. Auf seine Art ganz nett, aber ständig unterwegs zu noch höheren Zielen. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
Sie senkte die Stimme. »Und keiner von ihnen scheint Geld zu haben. Was haben die bloß mit dem ganzen RensselaerVermögen gemacht? Das wüßte ich gerne. Der alte Cy Rensselaer muss ein riesiges Vermögen hinterlassen haben. Soviel kann Bret doch diesem grässlichen Weib gar nicht in den Rachen geschmissen haben. Aber wenn nicht, wo ist es dann?«
    Ich weiß nicht, was ich erwartete, aber als ich Bret Rensselaer endlich zu Gesicht bekam, fand ich, dass er ziemlich mitgenommen aussah. Er war ungefähr sechzig Jahre alt, groß und schlank, trug eine weiße Baumwollhose, ein weißes TShirt und weiße Turnschuhe. Das Kostüm mochte in Kalifornien vielleicht die neueste Mode sein, aber er wirkte darin nur noch mehr wie ein Patient. Er lächelte. Dieses Lächeln bei fest geschlossenem Mund hatte er sich bewahrt, sein Haar auch.
    Aber er war viel älter, als ich ihn in Erinnerung hatte. Die Wangen waren eingefallen, das Gesicht runzlig. Für einen Teil der verlorenen Jugendlichkeit entschädigte ihn allerdings nun ein distinguiertes Aussehen, ähnlich dem, das einen alternden Filmstar zum Präsidenten der USA qualifizieren mag. Er war eben mit einigen leichten Übungen zur Kräftigung der Armmuskeln beschäftigt, als ich ins Zimmer trat. »Bernard«, rief er freundlich. Seine Übungen hatten ihn ein wenig außer Atem kommen lassen. »Tut mir leid, dass ich dich hab’ warten lassen, aber die bestehen darauf, dass ich mein Programm durchziehe.« Er betonte meinen Namen immer auf der letzten Silbe, und als ich es jetzt wieder hörte, musste ich an früher denken. Ich sah mich in seiner privaten Turnhalle um. Irgend jemand hatte in die Einrichtung eine Menge Geld investiert. Das Obergeschoss war herausgerissen worden, um den Raum höher zu machen. Eine Wand war von oben bis unten verglast, an der gegenüberliegenden waren polierte Holzstangen angebracht, die von einer Querwand zur anderen reichten. Der Boden war Parkett, und an Geräten gab es ein Übungsfahrrad, eine Rudermaschine und einen großen Stahlrahmen mit einem Sitz drin sowie Gewichten und Flaschenzügen – das Ganze sah wie ein Folterinstrument aus. Bret saß auf dem Sitz und drückte Hebel. »Zeit, dass ich Schluss mache«, sagte er.
    Es war jener Augenblick am späten Nachmittag, in dem die Natur plötzlich innezuhalten scheint. Selbst hier oben am Berg war nicht der leiseste Windhauch, kein Blatt regte sich, kein Vogel flog. Die schon tief über dem Meer draußen stehende Sonne vergoldete alles, und die Luft war schwer

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