Geködert
Gottes Namen deine Tasche auf dem Schoß, Bernie. Fahren wir los«, sagte er zu dem Fahrer, »der Mann soll doch sein Flugzeug nicht verpassen.«
»Du hast doch das alles nicht für mich getan?« fragte ich vorsichtig. Aber wie hätten sie mich sonst so mühelos schnappen können, wenn sie nicht auch den Unfall inszeniert hatten? »Nicht mein Stil, Baby«, sagte der Feine Harry. Und, nach einer kleinen Pause: »Aber meine Chefin, die hat genau diesen Stil.« Einer der beiden Männer auf dem Vordersitz lachte, leise genug, um nicht zu stören, aber laut genug, dass man ihn hörte.
»Chefin?« sagte ich.
»Ja, wir haben eine Chefin. Sag bloß, davon hast du noch nichts gewusst.« Er lachte.
»Eine Frau!«
Die manikürte Hand des Feinen Harry winkte ungeduldig ab. »Ihr in London wisst doch Bescheid. Es hat in unserem Monatsbericht für September letzten Jahres gestanden.«
»In London hat man Wetten darauf abgeschlossen, wer von euren Leuten in L. A. auf die Idee gekommen ist, sich Brigette zu nennen«, sagte ich.
»Du Schwein«, sagte Harry. Er kicherte.
Der Fahrer sagte: »Recht hat er! Die Hälfte dieser jungen Burschen im Büro tragen Ohrringe und Dauerwellen. Alle schwul!«
»Es war Brigettes Idee.« Harry war hartnäckig. »Ich habe ihr gesagt, dass ich dich kenne. Ich wollte einfach Bret anrufen und die Sache in aller Ruhe erledigen, aber sie hatte sich schon alles genau zurechtgelegt. Für den Lastwagen hätten wir sowieso Leihgebühr bezahlen müssen, da er schon bestellt war. Der Krankenwagen war übrigens auch ihre Idee – ganz nett, was? Es war alles schon in die Wege geleitet, also hat sie gesagt, machen wir’s einfach so, wie sie’s geplant hat. Da sieht man, wie die Zeiten sich geändert haben, was, Bernie?«
»Heißt sie wirklich so: Brigette?«
»Eine tüchtige kleine Dame«, sagte Harry respektvoll. »Wie sie das Büro leitet … ich meine, die Jungs spuren. Ehrlich, Bernie, das ist nicht mehr wie früher.«
»Und was ist denn nun der Zweck dieser Übung?« fragte ich, nachdem der obligatorische Meinungsaustausch über den ersten weiblichen Chef endlich abgeschlossen war.
»Es ist wegen Bret«, sagte der Feine Harry, »wegen Bret Rensselaer.« Zärtlich kratzte er seine Wange mit dem Nagel des kleinen Fingers, so dass ich seine gestärkten Leinenmanschetten und goldenen Manschettenknöpfe bewundern konnte. Sein Gesicht war so gelb, dass man japanisches Blut in seinen Adern hätte vermuten können, aber die sorgfältig manikürten Hände waren blaß. Harry sah immer aus wie aus dem Ei gepellt. Ein perfekter Haarschnitt, das Kinn glattrasiert und gepudert, ein dezentes After-shave – noch nie habe ich ihn anders erlebt. Vielleicht verrät es aber auch mehr über mich selbst – oder über die amerikanischen Gangsterfilme, die ich als Junge sah – als über ihn, wenn ich sage, dass mir seine makellose Erscheinung immer schon ein bisschen unheimlich war.
»Ach ja?« sagte ich.
»Es heißt, dass zwischen dir und Bret irgendeine private Vendetta ansteht.« Er war jetzt ganz ernst. Die Hände lose auf dem Bauch gefaltet, saß er da wie ein Buddha an seinem freien Tag.
»Und?«
»Private Streitigkeiten sind schlecht fürs Geschäft. Schlecht für Bret. Schlecht für dich. Schlecht für London. Schlecht für uns.«
»Wer seid ihr?«
»Stell dich nicht dumm, Baby. Du weißt genau, dass ich die Firma meine.«
»Und was zum Teufel hat meine Meinungsverschiedenheit mit Bret mit euch zu tun?«
Harry hob beschwörend die Hand. »Habe ich vielleicht die ganze Sache falsch angefasst? Sollten wir nicht vielleicht lieber noch mal von vorn anfangen?«
»Ich werde kaum aussteigen und zu Fuß weitergehen.«
»Nein, natürlich nicht.« Er lehnte sich zurück und beobachtete mich bei halbgeschlossenen Augenlidern, während er sich die Geschichte neu zurechtlegte, um mir einen Anfang präsentieren zu können, der mich nicht gleich verärgern würde. Der Feine Harry hatte ein ausgesprochenes Talent für die Lösung derartiger Aufgaben. Jahrelang hatte er auf eigene Rechnung zwischen den Parteien gearbeitet, immer genötigt, beide Seiten zufriedenzustellen, ehe er seinen Lohn kassieren konnte.
Eine Zeitlang fuhren wir schweigend dahin. Ich stellte die Tasche auf den Boden zwischen meine Füße und sah aus dem Fenster in den Regen, der auf die an der Küste aneinandergereihten Millionärsvillen herunterprasselte. Zwischendurch erblickte man hier und da Wellenreiter in glänzenden schwarzen Gummianzügen auf ihren Brettern.
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